Ausstellung bei Peter Tedden Eine Schau, die aus Neapels Untergrund kommt
Düsseldorf · Der Verein Capribatterie stemmt eine sensationelle Schau zu Leben und Tod in der Galerie Tedden.
Neapel gilt als Stadt der Gewalt, des chaotischen Straßenverkehrs und der allgegenwärtigen Mafia. Dass dies auch ein Ort ist, in dem sich die Kulturgeschichte Europas seit den Griechen und Römern über Joseph Beuys und Hermann Nitsch bis in die Gegenwart spiegelt, macht eine spannende Ausstellung deutlich. Sie wurde von Martin Bochynek kuratiert und gilt einem Verein von Künstlern aus Düsseldorf und Neapel, die den Untergründen und Doppeldeutigkeiten dieser uralten Stadt auf der Spur sind. „Der Ort ist schön, aber immer lauert irgendwo der Tod im Hintergrund“, sagt Vereinsgründerin Susanne Ristow.
„Capribatterie“, so der Titel des Vereins, erinnert nicht nur an die Zitrone mit Birne von Joseph Beuys, sondern auch an die Capri-Fischer und an Martin Kippenbergers Bild „Capri bei Nacht“, wobei ein Ford Capri unter einer Straßenlaterne steht. Ristow weiß sich mit ihrem Verein in guter Gesellschaft, denn auch Thomas Ruff fotografierte früh in Neapel, und Katharina Sieverding hat eine der berühmten Metro-Stationen ausgestaltet.
Städtepartnerschaft scheiterte am fehlenden Wirtschaftspartner
Mit der Vereinsgründung im Jahr 2006 hoffte Susanne Ristow noch auf eine Städtepartnerschaft. Daraus wurde aber nichts, als ihr Kommunalpolitiker erklärten, sie müsse interessante Wirtschaftspartner beisteuern. Daraufhin hielt sie den Verein lieber klein. „Mir ist es nicht wichtig, dass das Sponsoring stimmt, sondern dass die Inhalte stimmen und die teilnehmenden Künstler wirklich eine Beziehung zu dem Ort haben“, sagt sie. Susanne Ristow beließ es beim Kultur-Austauschprogramm und wird von wichtigen Sammlern aus Neapel unterstützt.
Gregor Schneider ist quasi prädestiniert für Neapel. „400 Meter schwarzes, totes Ende“ nennt er seine Fotofolge, die auf einer Aktion von 2006 basiert, als er die Menschen in einen Verlies im Untergrund führte. Die Fotos zeigen das Milieu, von dem aus er in die Tiefe stieg. Die Serie endet mit einem total schwarzen Foto hinter Glas, das nun wie ein magischer Spiegel wirkt. Schneider hatte auch seinen berühmten Cryo-Tank Phoenix vor dem Altar einer Barockkirche aufgebaut und erklärt, in so einem Behälter könne man sich für das Fortleben in der Zukunft einfrieren lassen.
Wie sehr Tod und Leben in Neapel zusammengehören, beweist auch Ralf Berger. Er kaufte sich vor Ort einen Talar mit Gobelinstoff und stickte mit Goldfäden den Titel „Der König des Vergessens“ auf den kostbaren Stoff. Auch Berger geht existenziellen Fragen nach. Indem er seinen eigenen Kopf in Beton abgießen ließ und in das Priestergewand steckt, verweist er auf die mystisch-religiösen Züge der Stadt. Er stellt sein Stoff-Kopf-Gebilde auf eine dreistufige Aluminium-Leiter und umwickelt die Füße mit Blattgold. Damit stellt er eine Verbindung zwischen seiner katholischen Herkunft und Neapel her.
Ein Zentrum von Alchemie, Mystik, Magie und Pataphysik
Neapel ist immer auch das Zentrum der Mystik. Dafür steht der Cristo velato, der verhüllte Christus als berühmte Marmorskulptur von Guiseppe Sanmartino in der Cappella Sansevero. Sie lebt vom Gedanken der Alchemie, dass die Materie körperhaft werden kann. Umgekehrt verweisen die Ölbilder von Vittorio Zambardi, einem Italiener, der in Deutschland aufwuchs, bei Brandl in Düsseldorf studierte und heute in Berlin lebt, auf einen fast schon erotisch aufgeladenen Christus im Ölgemälde. Er zeigt das Motiv auch als einen Kopf, der durch eine leichte Latexmaske verhüllt und durch Hosenträger gehalten wird.
Susanne Ristow nennt ihre Serie Cinacittà (China-Stadt), wohl wissend, dass ganze Viertel in Neapel längst in chinesischer Hand sind. Sie erklärt: „Fast die gesamte italienische Textilmanufaktur ist von Chinesen übernommen. Made in Italy ist längst zum Made in China in Italy geworden.“ Schon bei ihrem Aufenthalt 2010 als Stipendiatin der Staatskanzlei drehte sie einen Film mit einer chinesischen Protagonistin, die in Neapel lebt. Sie fügt ihrer Arbeit den berühmten Spruch der deutschen Bildungsreisenden „Et in Arcadia ego“ hinzu, spielt dabei aber zugleich mit dem Memento-Mori-Gedanken des Barocks.
Jörg Paul Jankas grandiose Foto-Serie über Kalabrien ist ebenso zu bestaunen wie Mariarita Renattis Kugelschreiberzeichnungen, die aus dem Nichts heraus Volumen suggerieren und gleichzeitig mit der Kultur von Caravaggio spielen. Beredt ist ihr Bild „Quo vadis“ mit den Beinen ihrer Großmutter.
Dass es dem Verein sogar gelang, den 89-jährigen Altmeister Mario Persico zu gewinnen, ist sensationell. Der emeritierte Professor der Kunstakademie von Neapel war auch Präsident des Pataphysischen Instituts. Sein umfunktioniertes, altes Radio und seine skurrilen, surrealistisch und dadaistisch angehauchten Figurationen sind museumsreif. Dies macht die frei finanzierte Schau in der kleinen Galerie so sehenswert.