Kunst Lyan-Art-Gallery zeigt junge iranische Fotografen

Düsseldorf · „Proxy“ heißt die neue Ausstellung in Unterbilk. Kuratorin Zahra Khorami will damit ein Zeichen für einen gerechteren Kunstmarkt setzen.

Babak Kanaani dokumentiert christliche Gräber im Iran. Foto: Babak Kanaani.

Foto: Babak Kanaani

“Proxy” nennt sich eine neue Ausstellung in der Lyan-Art-Gallery in Unterbilk. Sie zeigt Werke von 12 jungen iranischen Fotografen. Die Künstlerin Zahra Khorami hat die Schau kuratiert. Den Titel hat die 32-jährige Iranerin aus der Informatik entlehnt. Proxy bezeichnet eine Kommunikationsschnittstelle in einem Netzwerk. Er vermittelt Daten zwischen zwei Rechnern. Dabei bleibt die IP-Adresse des einen Kommunikationspartners dem jeweils anderen verborgen, was für Anonymität sorgt.

Dieses Prinzip der Anonymität überträgt Khorami auf ihr Ausstellungskonzept: Über die Foto-Plattform Instagram hat sie Bilder von Künstlern ausgewählt, die sie zuvor nicht kannte. Nur die Qualität der Bilder diente als Auswahlkriterium. Erst dann hat sie sich über die Fotografen informiert und festgestellt, dass sie sich hinsichtlich ihres Renommees unterschieden. Manche können schon Ausstellungen, Kunstprojekte oder Auszeichnungen vorweisen, manche müssen sich erst noch etablieren.

Mostafa Kazemi Motlagh zeigt eine Tänzerin vor dem Freiheitsturm in Teheran. Foto: Mostafa Kazemi Motlagh

Foto: Mostafa Kazemi Motlagh

Ausstellung soll ein Zeichen für einen gerechteren Kunstmarkt setzen

Die Kuratorin reagiert mit „Proxy“ auf ein Manko, mit dem sie selbst in der iranischen Kunstszene konfrontiert wurde, das allerdings für den globalen Galerien-Markt gelte: „Ich wollte meine Fotografien in Galerien ausstellen. Da fragten die Betreiber: Wer bist du? Wie berühmt bist du? Mit welchen Galerien arbeitest du bereits zusammen? Sie fragten mich all diese Dinge, ohne vorher eines meiner Werke gesehen zu haben.“ In der Lyan-Art-Gallery soll der Zuschauer direkt in Kontakt mit dem Kunstwerk treten, ohne den Künstler zu kennen.

Azadeh Besharati dokumentiert die Diskriminierung der Frauen im Iran: Selbst bei einer Hochzeit spielen sie keine Rolle. Foto: Azadeh Besharati

Foto: Azadeh Besharati

Zu sehen sind 20 Werke, die sich mit verschiedenen Themen der iranischen Gesellschaft beschäftigen. Hinsichtlich der Qualität lassen sich zwischen den Fotografen kaum Unterschiede feststellen. Da ist der Teheraner Fotograf Babak Kanaani, der sich auf Straßen- und Dokumentarfotografie spezialisiert hat. Immer in schwarzweiß. Sein Foto stammt aus der Serie „Meet in Eternity“ („Treffen in der Ewigkeit“). Es zeigt einen Grabstein auf dem christlichen Friedhof in Teheran. Auf dem Monument ist ein metallener Klappdeckel befestigt. Öffnet man ihn, sieht man das Foto der beerdigten Frau. „Es ist wie ein Fenster zum Grab“, sagt Kanaani. Sein Foto wirkt wie gemalt. Das Portrait und die Konturen des Grabs scheinen sich aufzulösen. Als würde das Denkmal für die Tote auch langsam ins Jenseits hinübergleiten.

Der 1987 geborene Mostafa Kazemi Motlagh aus Teheran widmet sich dem Alltagsleben iranischer Bürger. Auf seinem Foto tanzt eine junge, geschminkte Frau auf den Treppen vor dem Freiheitsturm, der als Wahrzeichen des modernen Teheran gilt. Der Turm gleitet ins Unscharfe, der sepiafarbene Himmel ist wolkenbedeckt, doch Sonnenlicht fällt auf die Frau. Ein Bild, von dem eine große Dynamik ausgeht. Im Tanz äußere sich Freiheit, so Motlagh. „Sie tanzt, um wieder an ihre Freiheit zu denken. Manche tanzen, um zu erinnern, und manche tanzen, um zu vergessen“, schreibt der Fotograf unter seine Aufnahme. In der vom Klerus beherrschten Islamischen Republik ist Freiheit nicht selbstverständlich, vor allem bürgerliche Freiheiten und Menschenrechte sind nicht erwünscht.

Sarah Sasani porträtiert eine junge Schwimmerin. Sie kann ihren Traum von einer Profi-Karriere aufgrund islamisch-konservativer Normen nicht verwirklichen. Foto: Sarah Sasani

Foto: Sarah Sasani

Selbst bei Hochzeiten im Iran sind Männer und Frauen ungleich

Auch die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern ist weiterhin festgeschrieben. Selbst bei Hochzeitsritualen. Zu sehen auf einem Foto der 28-jährige Poetin und Fotografin Azadeh Besharati. Sie hat eine Hochzeit in Houraman abgelichtet, einer Stadt im iranischen Kurdistan. Mehrere Frauen in schwarzen Tschadors (schwarze Tücher, die den ganzen Körper, aber nicht das Gesicht bedecken) beobachten vom Fenster einer baufälligen Wohnung die Trauungszeremonie. Das Fest dauert drei Tage, Kleinvieh wird geschlachtet, besondere Speisen gekocht, das Tamburin geschlagen und gebetet. Die Frauen spielen dabei aber keine Rolle.

Bahareh Mohamadian zeigt den Krieg im Iran: Nachdem ihr Vater im Kampf umkam, lebt die zweijährige Samira in einem Sinti und Roma-Camp. Foto: Bahareh Mohamadian

Foto: Bahareh Mohamadian

Auch die 1985 in Teheran geborene Sarah Sasani setzt sich mit der Diskriminierung der Frau im Iran auseinander. Sie zählt zu den renommierten Fotografinnen. Sasani blickt bereits auf mehrere Solo-Schauen zurück, nahm an weltweiten Gruppenausstellungen teil und gewann bereits Foto-Preise. Sie porträtiert eine 23-jährige Schwimmerin in einem Hallenbad. In petrolfarbenem Kleid, türkisenem Kopftuch und Schwimmbrille. Die Farben ihrer Kleidung vermischen sich mit dem blaugrün leuchtenden Wasser des Pools. Eine Komposition, die eine unglaubliche Sogkraft entfaltet. Aber auch Ironie und Traurigkeit schwingen mit. Zunächst entlockt das absurde Bild einer komplett bekleideten Frau im Schwimmbad ein Schmunzeln. Aber genau damit verbindet sich eine tragische Geschichte. Die junge Frau möchte nämlich eine professionelle Schwimmerin werden und hat bereits an internationalen Wettkämpfen teilgenommen, doch die strengen Gesetze und sozialen Normen im konservativ-islamischen Staat am Persischen Golf vereiteln ihren Lebenstraum. „Niemand sieht, wenn diese Schwimmerin gewinnt, wenn sie neue Rekorde aufstellt. Niemand darf es dokumentieren. Weder ihre Eltern noch ihr Sohn!“, kommentiert Sarah Sasani.

Dem Krieg im Iran widmet sich die Fotografin Bahareh Mohamadian. Ein Foto porträtiert die zweijährige Samira, die im Arm ihrer Mutter aus einer Decke herausguckt: mit wachen und zugleich traurigen Augen. Unscharf erscheinen im Hintergrund Zelte und Wäscheleinen eines Sinti und Roma-Camps. Samira lebt dort mit ihrer Mutter und Schwester, nachdem ihr Vater im Kampf getötet wurde. In dem Camp trainieren sie herumstreunende Hunde und verkaufen sie dann.

Info: Die Ausstellung ist noch bis zum 20.Oktober in der Lyan-Art-Gallery zu sehen. Adresse: Fürstenwall 88. Besuchstermine nach Absprache unter 0176 63287872.