Martin Zingsheim singt Lore Lorentz
Der 31-jährige Musiker hat alte Texte neu vertont. Nostalgie mag er nicht. Doch er will zeigen, wie aktuell vieles von damals noch ist.
Düsseldorf. Es ist eine gute Geschichte, und die beiden wissen das. Entsprechend genießen Martin Zingsheim und Kay Lorentz, sie zu erzählen. Abwechselnd. Der eine schnell und mit Gespür für Pointen, der andere betont und bedeutungsschwer. Sie erzählen die Geschichte eines Bierdeckels, auf dem der 31-jährige Kölner Kabarettist eine Botschaft für den Hausherrn des Kom(m)ödchens verfasste: „Zingsheim singt Lore Lorentz. Neuvertonungen nur scheinbar alter Texte.“ Sogar ein Datum notierte Zingsheim damals nassforsch. Lorentz war schnell überzeugt, den Termin hat er aber selbst bestimmt.
Am 29. März, genau 68 Jahre nach der ersten Premiere in dem von Lore Lorentz gegründeten Kabaretttheater, erinnert Zingsheim mit einem bunten Liederabend an die legendäre Ära der großen Dame des deutschen Kabaretts. „Das wird kein nostalgischer Retroabend“, erklärt Zingsheim, der auf der Altstadtbühne mit seinen Kabarettprogrammen selbst häufiger zu Gast ist. Kay Lorentz, den Sohn der Theatergründerin und heutiger Theaterchef, zählt er zu seinen Unterstützern der ersten Stunde. Der wiederum lobt den Künstler mit dem Jungen-Charme in den höchsten Tönen.
Nach einem solchen Auftritt fand der promovierte Musikwissenschaftler mit dem schnellen Mundwerk in der Künstlerwohnung des Kom(m)ödchens Texte alter Bühnenprogramme von Lore Lorentz, darunter „Krieg ist Frieden, der woanders ist“. Zingsheim war um den Schlaf gebracht: In seinem Kopf entstanden neue Melodien zu den noch immer aktuellen Worten. „Die Texte waren scharfzüngig und originell.“ Ihn beeindruckt, dass seit 40 Jahren das Kabarett für oder gegen die gleichen Themen antritt — wie etwa das „Tagebuch eines Waffenhändlers“.
Im Archiv des Kom(m)ödchens im Theatermuseum hat er sich durch jede Menge Papier und Aufzeichnungen gewühlt, ausgewählt und nun stehen die originalen Textbücher von damals inklusive der persönlichen Anmerkungen auf seinem Klavier. Das Programm für den Abend ist komplett. „Ich neige dazu, früh fertig zu sein. Das ist wahrscheinlich die Angst“, sagt Zingsheim.
Neben neu vertonten alten Texten, hat er auch selbst geschrieben und aus eigenen Programmen eingebaut. Eine Art Collage. Dabei stellte Zingsheim fest, dass zwischen der Kabarettsprache von damals und heute doch ein Unterschied liegt: „Während ich bewusst alltäglich und möglichst lässig daherquatsche, wurde damals theatralischer, förmlicher und literarischer formuliert.“ Werner Schneyder, der für Lorentz „Die Wut ist jung“ dichtete, war mit dem aktuellen Vorhaben nicht einverstanden. So musste Zingsheim auf die die Lorentz wie ein Lebensmotto begleitenden Zeilen verzichten.
Was von wem stammt, kann der Zuschauer nun versuchen rauszuhören. Klar wird Zingsheim auch einiges erklären und moderieren, aber der Abend soll Drive haben, sagt er, und eben nicht chronologisch zurückblicken. Lorentz und Zingsheim schwebt vor, ältere Besucher, die noch heute von der großen Lore Lorentz schwärmen, zu unterhalten, und die Kabarett-Legende zugleich jungen Menschen vorzustellen, die mit ihrem Namen nichts mehr verbinden. „Und wenn es beiden nicht gefällt, wird es richtig witzig“, sagt Zingsheim. Er legt die Messlatte selbst nicht so hoch, wie es sein kühnes Vorhaben vermuten lassen könnte. Es war ja nur so eine Idee auf einem Bierdeckel.