Porträt Warum Schauspieler Sebastian Tessenow am liebsten Klassiker spielt

Düsseldorf · Der Schauspieler ist in zahlreichen Stücken und bald auch in Shakespeares Coriolan zu sehen – ein Stoff, der ihm liegt.

Sebastian Tessenow spielt in „Coriolan“ am Düsseldorfer Schauspielhaus.

Foto: Thomas Rabsch

In manchen Wochen steht Sebastian Tessenow an sieben Tagen mit sieben verschiedenen Stücken auf der Bühne. Und fällt durch sein körperintensives Spiel auf. In „Fabian“, „Don Karlos“, „Henxenjagd“, „Hundeherz“ oder in der Lieder-Revue „Boys don’t cry“. Der athletische, junge Mann mit dicht zurückgekämmtem Haar und offenem Blick, der sich als Teamplayer bezeichnet, ist insgesamt in zehn Produktionen zu erleben.

Seine Vorliebe: Klassiker von Shakespeare bis Brecht. Stücke, „in denen man die Sprache kauen kann“. Seine Traumrolle bleibt „Hamlet“. Obwohl der gerade besetzt ist. Egal. Tessenow zählt zu den Viel-beschäftigten im Schauspielhaus-Ensemble. „Es ist schwer, dabei ein Privatleben zu behaupten“, schmunzelt er. Ob das an den Kräften zehrt? „Das ist Teil unseres Berufs und lässt Neues entstehen. Man wächst“, sagt er gelassen.

Gerade musste Sebastian Tessenow (Jahrgang 1985) eine Kehlkopfentzündung auskurieren, probt aber für die nächste Premiere im Central, am 18. April. In Shakespeares „Coriolan“ tritt er (neben dem gleichnamigen, römischen Tyrannen, gespielt von André Kaczmarczyk) als einer der Volkstribune auf.

Mit dem antiken Stoff hat Tessenow sich viel beschäftigt

Klar, dass sich Tessenow bei diesem extrem selten gespielten Klassiker mit der römischen Antike, in der Shakespeares Fünfakter spielt, beschäftigt hat. Brutus ist als einer der beiden Volkstribune Sprachrohr des Volkes. Mit ihrer demagogischen Kraft manipulieren sie die Plebejer (so hieß das Volk damals) und wiegeln sie in einer Hungersnot gegen den konservativen Patrizier und Feldherrn Coriolan auf, der dann verbannt wird. „Tribune waren unantastbar, fast wie Heilige,“ so Tessenow, „sie hatten viele Rechte, aber überall lauerten politische Gegner.“ Besonders von Seiten des rachesüchtigen Machtmenschen Coriolan, dessen Härte am Ende nur von dessen Mutter gebrochen werden kann.

Die Arbeit von Schauspielern und Regie sei es, aktuelle Bezüge klarzumachen. Auf den Proben wurde häufig über heutigen Rechtsruck in der Politik oder Machtmenschen wie Donald Trump diskutiert. „Volkstribune“ so Tessenow, „stehen als Symbol für den Beginn einer Demokratie (das Volk hat eine Stimme, wählte die Tribunen). Sie werden aber von den herrschenden Patriziern als Volksverhetzer betitelt.“ Ob die Aufführung (Regie: Tilmann Köhler) sich an antike Ästhetik anlehnt? Tessenow schmunzelt. „Klassisch? Auf keinen Fall. Es wird ganz schön abgefahren, absurd, körperlich herausfordernd und bietet Überraschungen.“ Er vermutet: „Die Inszenierung wird polarisieren.“ Etwa ein Skandal? Wieder lächelt er: „Das liegt im Auge des Betrachters.“

Tessenow, in Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern) aufgewachsen, bezeichnet sich als „eingefleischten Ossi“ („Ich kann es nicht leugnen, warum auch?“), der sich am Rhein seit drei Jahren wohlfühlt. Rheinländer seien offener, herzlicher, neugieriger, auffälliger als andernorts. Bevor sein Theaterinteresse durch eine AG an der Schule geweckt wurde, war er als Turniertänzer unterwegs. Angeregt durch seinen Vater, der Ballett und Folklore in Cottbus tanzte. Bis zum Abitur war er jedes Wochenende wegen der Turniere on the road. Parallel holte er sich beim ersten Vorsprechen als Schauspieler in Rostock sehenden Auges eine Abfuhr, da er mitten im Abi steckte. Beim zweiten Anlauf klappte es in Leipzig. Seine ersten Engagements waren u.a. in Essen und Leipzig (bis 2016), wo er vom Schulz-Team für Düsseldorf abgeworben wurde. Gab es eine Alternative zum Schauspielerberuf? „Gerichtsmediziner.“

Wie er sich fit hält? „Am Liebsten durch Übungen mit eigenem Körpergewicht, zu Hause, ich bin kein Typ fürs Fitness-Studio.“ Er läuft die meisten Strecken. Ausgleich und Entspannung vom Theater findet er in der Natur, und am liebsten hilft er seinen Eltern, ihr Wochenendhaus im Harz auszubauen. „Das Ergebnis ist real, man kann es anfassen und sehen. Im Gegensatz zu einzigartigen Momenten vor und nach einer Theater-Vorstellung.“

Nur in diesem Sommer locken ihn weder der Harz noch ein Strand. In den Theaterferien werden er und sein Kollege Florian Lange (er spielt den zweiten Volkstribun) einen Panda in die Mongolei überführen und dem SOS-Kinderdorf spenden. Nach Ulan Bator. Eine Strecke von 11 500 Kilometern. Im Fiat-Panda. Ein Projekt, für das 8000 Euro angesetzt sind. 6000 Euro sind an Spenden schon eingegangen. Noch kann man sich beteiligen.