Düsseldorf Theater gegen Rühmann-Verklärung

Wuppertals Ex-Intendant Christian von Treskow inszeniert im Großen Haus „Der Hauptmann von Köpenick“.

Foto: J. Michaelis

Düsseldorf. Ihn interessiert der zweite Blick. Die erste Reaktion auf „Der Hauptmann von Köpenick“ laute bei den meisten: „Heinz Rühmann und ein Gefühl von — das ist ein Stück aus der guten alten Zeit.“ So will es Christian von Treskow nicht. „Der Aufstieg Hitlers an die Macht war 1930 der konkrete Schreibanlass für Carl Zuckmayer“, sagt der 1968 geborene Regisseur, der bis zum vergangenen Jahr Intendant am Wuppertaler Schauspielhaus war. Das ist für ihn der Ausgangspunkt.

Der Düsseldorfer Intendant Günther Beelitz hat von Treskow gebeten, das „deutsche Märchen“, wie es im Untertitel heißt, im Großen Haus am Gründgens-Platz auf die Bühne zu bringen. Eine Inszenierung in dem Spielzeit-Reigen deutschsprachiger Literatur, die Beelitz in seiner letzten Saison zeigen will.

In der Figur des Ex-Sträflings und Obdachlosen Voigt und seinem tragikomischen Versuch, an Papiere und Arbeit zu kommen, bei dem er schließlich in falscher Uniform das Rathaus von Köpenick besetzt, verstecke Zuckmayer etwas Perfides, so von Treskow: „Voigt ist eine Sympathiefigur und trotzdem ein Asozialer, dem ein Militärcoup gelingt.“ Darüber habe man damals sowohl von rechter als auch von linker Seite gelacht. Zumindest so lange, bis die Nazis das Stück verboten hatten. Die schamlose Wiederkehr einer NS-Rhetorik, die von Treskow bei Politikern wie Horst Seehofer erkennt, rücke das Stück näher an unsere Zeit, als die Rühmann-Bilder in den Köpfen der meisten vermuten ließen. „Der Goebbels-Ton heute ist wie eine Zeitreise ans Ende der Weimarer Republik“, erklärt von Treskow.

Auf der Bühne arbeite er gezielt gegen die Rühmannsche Verklärung, sein Hauptdarsteller Tilo Nest sei einfach ganz anders. „Ein Komiker und großer Menschendarsteller.“ Dem Komödiantischen in Mundart stellt er Bühne und Kostüme entgegen: „In historisierender Kleidung bewegen sich die Figuren auf einer abstrakt gestalteten Bühne.“

Wieder einmal arbeitet von Treskow mit seiner Frau, der Bühnenbildnerin Dorien Thomsen, zusammen. Von Wuppertal aus sind sie mit den beiden Töchtern nach Aachen gezogen. Erstaunlich schnell sei das Erfahrene und Erlittene aus seiner Wuppertaler Zeit in den Hintergrund gerückt, meint von Treskow. Die Stadt hatte während seiner Intendanz das Schauspielhaus trotz künstlerischer Erfolge geschlossen. Sich selbst hat er danach „einige Jahre“ gegeben, in denen er als freier Regisseur arbeiten wolle. „Bei mir kribbelt es aber schon wieder in den Fußspitzen“, sagt er. Schließlich habe er als Intendant einen weiteren Beruf neben dem des Regisseurs gelernt. „Kulturmanager oder vielleicht auch Kulturfunktionär“, fügt er ironisch schmunzelnd an. Und diese Erfahrung wolle er nutzen.