Neu in den Programmkinos Von Reisen, dem Mauerfall und Perlen des Trash
Düsseldorf · Unser Kolumnist Philipp Koep beleuchtet aktuelle Filme in Düsseldorfer Programmkinos.
Nurejew – The White Crow
Super-Star und Super-Gau. Rudolf Nurejew wurde zum Rhythmus der Schwellen im Zug der Transsibirischen Eisenbahn geboren und blieb sein Leben lang auf Achse. Er revolutionierte das klassische Ballett und rückte den Tänzer vom Figurenheber der Ballerina in den Mittelpunkt. Doch für die Sowjetunion war der eigenwillige Solist auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges zu revolutionär. Bei einem Gastspiel des Kirow-Balletts in Paris setzte er sich 1961 ab, ein peinlicher Skandal für die Sowjets, deren Kunstbetrieb dem 21-jährigen Nurejew zu eng war. Bald standen ihm alle großen Tanzbühnen des Westens offen. Doch der Tänzer, der 1993 an AIDS starb, galt als schwieriger Mensch mit Allüren.
Ralph Fiennes hat die bewegte Geschichte der „weißen Krähe“ nun auf die Leinwand gebracht: ein Film über die Sehnsucht nach (künstlerischer) Freiheit und die Kehrseiten des Ruhms.
Atelier, tgl. 16 u. 18.45 Uhr (Mo. u. Mi. um 15 u. 18.15 Uhr, am So. um 18.45 im engl. OmU)
Der Distelfink
Hoch gehandelt, tief gestürzt. Große Erwartungen waren an die Verfilmung des gefeierten Romans von Donna Tartt geknüpft, doch das Zweieinhalbstundenepos fiel bei Kritik und Publikum durch. Ein Terroranschlag wirft das Leben des jungen Theo aus der Bahn. Die Bombe im New Yorker Metropolitan-Museum entreißt ihm die Mutter und stattet ihn gleichzeitig mit den Utensilien der Zukunft aus: ein sterbender Kunsthändler drückt ihm seine Adresse und ein kleines Gemälde mit dem Titel „Der Distelfink“ in die Hand. Da Theos Vater nicht auffindbar ist, wächst Theo in der wohlhabenden Barbour-Familie auf und widmet sich der Restauration von kostbaren Möbeln. Als Theos Vater doch auftaucht und Theo mit nach Las Vegas nimmt, lernt er dort den gleichaltrigen Boris und die Welt der Drogen kennen. Bald nutzt er sein Hobby und verkauft gefälschte Möbel und steigt dann in den Kunsthandel ein. Mit dabei ist das versteckte kleine Bild des niederländischen Meisters, das Millionen wert ist.
Der Roman, der von der Innensicht des verzweifelten Protagonisten lebt, wurde hier in eine übervolle Abfolge von Episoden aufgelöst, die jedoch immer nur an der Oberfläche des Seelenlebens bleiben.
Bambi, tgl. 16 u. 19 Uhr (am Di. um 19 Uhr im engl. OmU)
Midsommar
Nach dem Erfolg mit dem Horrorfilm „Hereditary“ wurde der neue Film des New Yorker Nachwuchsregisseurs Ari Aster in Fankreisen mit Spannung erwartet. Diesmal führt der Horrortrip nach Skandinavien, wo eine Gruppe junger Amerikaner an einer Sonnenwendefeier in Schweden teilnehmen möchte. Fasziniert von dem „Midsommar“-Ritual, das in der entlegenen schwedischen Provinz nur alle 90 Jahre gefeiert wird (gekränzte Jungfrauen tanzen um den geschmückten Maibaum, spirituelle Formeln werden beschworen und anregende Trünke gereicht), müssen die Touristen bald die finstere Kehrseite des heidnischen Brauchs erkennen: die Urlaubsreise wird zum Horrortrip, dessen Finsternis wirkungsvoll mit dem gleißenden Licht des Polarsommers kontrastiert.
Bambi, tgl. 21.45 Uhr (außer Mo.), Di./Mi. im engl. OmU
Gelobt sei Gott
Das infame Fazit des Gottesmannes, trifft die Missbrauchsopfer wie ein Hammerschlag: „Gelobt sei Gott, die Fälle sind alle bereits verjährt“. Basierend auf dem tatsächlichen Zitat von Kardinal Barbarin, hat sich nun mit Francois Ozon ein Schwergewicht des Autorenkinos an das aufwühlende Thema des Missbrauchs in der Katholischen Kirche und ihrem leisetreterischem Umgang damit gemacht, der die Opfer oft nach jahrzehntelangem Leid erneut zu Opfern einer bizarren Moral macht.
Als Priester Preynat in die Gemeinde bei Lyon kommt, sieht sich Alexandre mit dem Trauma seiner Kindheit konfrontiert: der Geistliche hatte ihn vor 30 Jahren missbraucht. Nun will Alexandre verhindern, dass seinen Kindern Gleiches widerfährt. Doch als er den Kontakt zum Kardinal sucht, zeigt der Verständnis, will aber nichts unternehmen – obwohl Preynat weiterhin Kontakt zu Kindern hat. Der gläubige Katholik Alexandre verliert das Vertrauen in die Kirche, er tut sich mit anderen Opfern zusammen. Doch in der Gemeinde und selbst in der Familie werden diese Menschen als Querulanten abgestempelt.
Bambi, tgl. 16.15 u. (außer Di.) 19 Uhr (am Mo. um 19.15 im frz. OmU)
Zwischen uns die Mauer
Zum 30-jährigen Jubiläum des Mauerfalls bringt dieses Jugenddrama das alltäglichen Grauens dieser deutschen Narbe noch einmal zur Geltung. Basierend auf dem autobiographischen Roman von Katja Hildebrand erzählt der Film von der 16jährigen Anna, die 1986 mit einer Kirchengruppe nach Ostberlin reist. Dort lernt sie Philipp kennen und verliebt sich schließlich in den jungen Mann, dessen Familie bereits im Visier der Stasi ist. Das junge Paar wird misstrauisch beobachtet. Die beiden denken über Flucht nach.
Als Anna versucht, eine Punk-Platte in die DDR zu schmuggeln, beginnt der Ärger. Als sie dann auch noch zu spät zur Ausreise im „Palast der Tränen“ erscheint, überschlagen sich die Ereignisse: Philipp und Anna sehen sich erst nach dem Fall der Mauer wieder.
Premiere am Di. um 19 Uhr mit Regisseur Norbert Lechner
Über Grenzen
Reisefilme stehen hoch in der Gunst des Publikums, die Begleitdoku hat sich mittlerweile als Finanzierungsmodell für das Vorhaben selbst etabliert. Wenn hier also eine 64-Jährige mit einem kleinen Motorrad den Ausbruch aus der Alltagsroutine wagt und weit über die Grenzen bis nach China tuckert, dann verblüfft die aufwändige Kamerabegleitung, die für alle spektakulären Momente und banalen Erkenntnisse aufmerksam zur Verfügung steht. Immerhin, die Stellvertreter-Abenteuer sparen CO2.
Premiere am Sa. um 14 Uhr im Metropol mit Gästen
Stridulum – The Visitor
Mit dieser italienisch-amerikanischen Produktion aus dem Jahr 1979 präsentiert das Mitternachtskino wieder eine Perle des Trash-Kinos: die Erde wird Schauplatz der kosmischen Auseinandersetzung zwischen der finsteren Macht Zatteens und seinem Widersacher Yahweh. Nach Zatteens Tod lebt sein bösartiger Geist auf der Erde fort, dort hat er eine neue Saat des Bösen angesetzt: Kinder, die von Menschenmüttern ausgetragen wurden. Auch der Besitzer eines Basketball-Profiteams ist ein Gefolgsmann Zatteens, seine Freundin Barbara soll nun die Reinkarnation Zatteens ermöglichen. Doch das andere Kind Barbaras zeigt psychokinetische Fähigkeiten.
Der „Gipfel aller italienischen Schundfilme“ urteilte die Presse einst. Für die Fangemeinde war das ein Ritterschlag für den prominent besetzten Streifen mit John Huston, Mel Ferrer, Franco Nero, Shelley Winters, Glenn Ford und Sam Peckinpah.
Metropol, Fr. um 23.45 Uhr (engl. OV)