Interview Vorschlag: Musikschule soll gemeinnützige GmbH werden

Interview Hagen Lippe-Weißenfeld – Vorstand der Kulturpoltischen Gesellschaft – zum Fall Musikschule.

Hagen W. Lippe-Weißenfeld ist Vorstand der Kulturpolitischen Gesellschaft der Landesgruppe NRW.

Foto: Kulturpolitische Gesellschaft

Wie es mit der Clara-Schumann-Musikschule weitergehen soll, beschäftigt die Stadtgesellschaft. An der Schule gibt es lange Wartelisten, es kam zu Personalkürzungen, die wiederum teilweise zurückgenommen wurden. Der Leiter der Schule Peter Haseley geht in den Ruhestand, und es bedarf eines zukunftsweisenden Konzeptes. Diskussionen um vakante Stellen oder auch eine engere Kooperation mit privaten Musikschulen – die Oberbürgermeister Thomas Geisel ins Spiel brachte – erhitzten zuletzt auch im Rat die Gemüter. 

Wir beleuchten mit Hagen Lippe-Weißenfeld – Vorstand der Kulturpolitischen Gesellschaft – Probleme und mögliche Lösungen.

Sie haben als Vater von vier Kindern Erfahrungen mit Wartelisten an der Clara-Schumann-Musikschule gemacht, melden sich jetzt als Vorstand der Kulturpolitischen Gesellschaft und Sprecher der Landesgruppe NRW zu Wort. Welche Probleme sehen Sie zurzeit?

Hagen Lippe-Weißenfeld: Die Musikschule befindet sich aktuell in einer für sie bedrohlichen Situation. Der erfreulich steigenden Nachfrage stehen massive Personalkürzungen im Rahmen von „Verwaltung 2020“ gegenüber. Dieses Missverhältnis führt dazu, dass die Arbeits- und Leistungsfähigkeit sukzessive runtergefahren wird. Das ist für eine Stadt, die sich ihrer großen Musiktradition rühmt, ein Armutszeugnis.

Was fordern Sie?

Lippe-Weißenfeld: Als Kulturpolitische Gesellschaft fordern wir, die geplanten Stellenstreichungen zurückzunehmen und sämtliche vakante Stellen unverzüglich nachzubesetzen. Diese Maßnahme kann ohne neuen Ratsbeschluss sofort umgesetzt werden. Wenn OB Geisel überdies der Meinung ist, die Musikschule sei aktuell nicht wettbewerbsfähig, soll er das bitte klar und deutlich sagen, um als Folge daraus eine entsprechende Organisationsuntersuchung vorzunehmen.

Mögliche Lösungen werden derzeit auch von der Politik diskutiert. Was halten Sie von dem Vorschlag des Oberbürgermeisters, private Musikschulen zu fördern, um so dem Stau (Warteliste von 3000 Kindern) an der städtischen Musikschule zu begegnen?

Lippe-Weißenfeld: Wenn man die Musikschule als wichtige Bildungsinstitution im kommunalen Bildungsnetzwerk ernst nimmt, darf man ihre kommunale Steuerung nicht aufgeben und stattdessen in die Hände kommerzieller, gewinnorientierter Anbieter legen. Das Gegenteil wäre richtig. Die Musikschule kann ein echtes Gewinner-Thema für den Standort Düsseldorf sein. Dafür bedarf es aber einer optimalen personellen und räumlichen Ausstattung. Wenn die Stadt anstelle einer Förderung privater Musikschulen mit dem gleichen Geld qualifizierte Musikschullehrkräfte einstellt, kann sie selbst entscheiden, für welche Aufgaben sie eingesetzt werden. Die Ampel ist leider sehr uneins bei dem Thema.

Was sollte oder könnte man denn stattdessen tun?

Lippe-Weißenfeld: Die Musikschule selbst verfügt über alle Ressourcen, sich zukunftsgerichtet für die Stadtgesellschaft auszurichten. Die neue Leiterin, die in Kürze vorgestellt wird, ist aufgefordert, die Gesamtsituation fachlich zu analysieren und kurzfristig ein mit allen Stakeholdern abgestimmtes Zukunftskonzept zu entwickeln. Wer der Musikschule zudem perspektivisch mehr Handlungsfreiheit geben will, kann sie auch – analog zur Tonhalle – in eine gemeinnützige GmbH umwandeln. Das wäre innovativ und würde sie strukturell flexibler und selbständiger machen.

Gibt es gute Beispiele aus anderen Städten? Und wenn ja, wie sind diese auf Düsseldorf übertragbar?

Lippe-Weißenfeld: Ja, unsere Nachbarstadt Monheim am Rhein macht vor, wie man eine städtische Musikschule erfolgreich aufbauen und betreiben kann. Das sogenannte „Monheimer Modell“ ist eine flächendeckende, strukturierte Kooperation der Musikschule mit allen Grund- und Förderschulen der Stadt, die aus vier Angebotsbausteinen besteht. Dazu gehört eine kostenlose musikalische Grundausbildung für alle Erstklässler in Halbklassen mit dem Schwerpunkt Instrumentenkarussell sowie ein darauf abgestimmter Musikunterricht der Schule im ersten Schuljahr. Ferner kostengünstiger Instrumentalunterricht für alle interessierten Kinder der zweiten bis vierten Schuljahre inklusive eines kostenlosen Leihinstruments und schließlich die Existenz eines Schulorchesters an jeder Grundschule. Dieses Modell könnten sie 1:1 auf Düsseldorf übertragen. Es entspricht übrigens in weiten Teilen dem „JeKits“-Förderprogramm des Landes NRW, für das sich Düsseldorf aber aus mir unerklärlichen Gründen bisher nie beworben hat.

Es gibt einen Auftrag an die Musikschulleitung ein Konzept vorzulegen. Sollte man dies nicht zunächst abwarten, bevor man das Thema zunehmend politisiert?

Lippe-Weißenfeld: Wie zu vernehmen ist, hat der Oberbürgermeister die Leitungsfrage inzwischen geklärt. Da man der neuen Leiterin aber einige Wochen Einarbeitungszeit zugestehen muss, wäre es aus unserer Sicht zielführend, wenn parallel fähige Fachleute dieses Konzept in enger Abstimmung mit der neuen Leitung praxisgerecht, ganzheitlich und mit innovativen Ideen zügig erstellen würden. Der Landesverband der Musikschulen NRW könnte hier als fachlicher Partner zu Rate gezogen werden.

Haben Sie den Kontakt zu Personen von der Musikschule gesucht und welche Sichtweise auf das Thema ist Ihnen dort begegnet?

Lippe-Weißenfeld: Ich kenne viele Musikschullehrerinnen und -lehrer persönlich. Die sind regelrecht verzweifelt und fühlen sich allein gelassen. Das sind hervorragende Musiker und fähige Pädagogen, die ihren Beruf mit großer Leidenschaft ausüben. Sie versuchen tapfer, das Beste aus den schwierigen Rahmenbedingungen zu machen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wenn man das Kollegium der Musikschule in das Konzept mit einbände, man aus der Institution heraus enorme Energien und Innovationsfreude freisetzen könnte. Was meinen Sie, wie schnell diese Musikschule wieder blühen würde, wenn sie hier einmal richtig anpacken. Sie ist eine wahre Perle, die endlich poliert werden muss.

Wie müsste in Ihren Augen eine ideale Musikschule der Zukunft aussehen?

Lippe-Weißenfeld: Sie wäre ein Ort, zu dem alle einen Zugang hätten. Ein Treffpunkt, an dem die Menschen miteinander Musik machen und darüber zueinander finden, unabhängig davon, mit welcher Sprache und in welchem Musikidiom einer aufgewachsen ist. In ihrer Organisationsstruktur wäre sie schlank und effizient. Mit einer zentralen Steuerung des Unterrichtsangebots, was sich über alle Stadtteile erstreckt und durch die enge Verzahnung mit den allgemeinbildenden Schulen ganztags auch in deren Räumlichkeiten stattfinden könnte. Eingebettet in Landesförderprogramme wie „Jedem Kind ein Instrument, Tanz, Singen“. Getragen von einer Stadtgesellschaft, die ihre Musikschule wertschätzt und für unverzichtbar hält. Unterstützt von einem Freundeskreis, der sie nach Kräften finanziell und ideell unterstützt. Das alles müsste kein Wunschtraum bleiben. Wenn es eine Stadt kann, dann Düsseldorf.