Zurück in der Heimat: Tote Hosen rocken Düsseldorf

Die Toten Hosen in Düsseldorf - das ist praktisch ein Selbstläufer. Am Samstag rockten die Punkrocker im ISS Dome.

Foto: Michaelis, Judith (JM)

Düsseldorf. Der animierte Film, der vor dem musiksprichwörtlichen „Urknall“ über die Bühnenleinwand flimmert, könnte nicht mehr aus der Zeit gefallen sein. Er zeigt die Toten Hosen in einem alten Opel. Zu Spaghettiwestern-Klängen werden sie von der Polizei verfolgt. Brücken explodieren. Es knallt und kracht. Dann dröhnt der erste Gitarrenakkord durch die Halle. Kurzum: Mehr effektvoll ins Bild gesetzte Revolte geht nicht. Die Hosen inszeniert als Gang aus Outlaws und Gesetzesbrechern, die ihr Ding durchziehen. Was für ein romantischer Kitsch.

Sänger Campino am Samstag in Düsseldorf.

Foto: Michaelis, Judith (JM)

Natürlich: Eine Gang sind sie ja noch. Die größte, wichtigste und konsequenteste im Land sogar. Mit einem Label, das für sie mehr Familie als Firma ist. Und mit einem eigenen Band-Grab auf dem Südfriedhof, in dem sie alle irgendwann liegen und den Hosen-Hobel im Jenseits über die Saiten kratzen werden. „Bis zum bitten Ende“ eben. Indes: Verfolgt werden Die Toten Hosen ja nur noch von Fans. Und von Erfolgen im Paar-Jahres-Rhythmus: Neues Album, Chartplatz eins, ausverkaufte Tour. Am Thron kratzt keiner mehr, weil kein anderer es noch schafft, überhaupt nur in die Nähe des Königssitzes zu kommen, auf dem Campino, Kuddel, Breiti, Andi und Vom wie am Hosenboden angeklebt sitzen.

Die Toten Hosen rocken in Düsseldorf
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Nein: Die Revoluzzer von heute, das sind junge Musiker wie die der famosen Vorband Feine Sahne Fischfilet, die bereits gehörig Ärger mit den Leuten vom Verfassungsschutz hatten, weil denen die Songtexte der Jungspunde aus Mecklenburg-Vorpommern angeblich zu linksradikal klingen. Die Toten Hosen 2017/18 hingegen sind eine bestens geölte Riesenrockmaschine, deren Maschinisten wissen, welche Schalter sie umlegen müssen, um die Fans bei so einen Konzert zum Durchdrehen und Aus-der-Hand-Fressen zu bringen. Und das Schönste dabei ist: Es ist überhaupt nicht schlimm.

Denn eines vermitteln diese Musiker bei ihren ersten Heimauftritten seit vier Jahren, den beiden abschließenden dieser „Laune der Natour“, nach wie vor in einem Maße, das wohligen Schwindel beim Zwei- bis Drei-Generationenpublikum erregt: diesen rheinischen Spaß an der Freud‘ nämlich. Der fühlt sich an, als gleite man zweieinhalb Stunden und fast 40 Songs lang auf einer geschmeidig rollenden, tosenden Welle übers Wasser, bis man am Ende pitschnass und geplättet „Oh, Baby, Baby Halbstark“ grölend auf den wohlig kribbelnden Sand am Ufer klatscht.

Die Konzertdramaturgie ist schlicht perfekt. Klassiker aus der Hosen-Altkleiderkiste — bis hin zum eingeflöteten „Reisefieber“ als dereinst erster Zutat der Ursuppe — grätschen immer wieder zwischen Songs des neuen Albums. Und es nötigt einen Heidenrespekt ab, dass dieses Quintett sogar ein charmant albernes und musikalisch mit gemächlichem Reggae aus dem Rahmen fallendes Stück wie „Wannsee“ nicht nur zu einem amtlichen Ohrwurm gemacht, sondern in ein Live-Monstrum verwandelt hat, das irgendwo zwischen „Steh‘ auf“ und „Liebeslied“ ohne jeden Anflug von Lächerlichkeit und „Nee, bitte nicht!“ funktioniert. Noch nicht einmal die Streicher, die zwischendurch auf der Bühne mitwirken, Mozarts „Kleine Nachtmusik“ anspielen und dafür in früheren Zeiten wahrscheinlich von den Rüpeln aus Reihe eins von der Bühne gejagt worden wären, erweisen sich als störende Faktoren dieser Show aus großen Gesten, Konfettiregen, Pyrozündelei und Wunderkerzenlichtermeer.

Sie zeigen einfach nur, dass diese Band auch nach fast vier Dekaden noch an dem einzigen Motto festhält, das je maßgeblich für sie war: „Tu‘ was du willst. Wenn du Bock drauf hast, ist es gut. Und solange die Leute, mit denen du es machst, korrekte Typen sind, ist schonmal gar nix verkehrt.“ Kein Kitsch. Kein Schmonz. Kein Geigenspiel. Vielmehr ist das — allen „Gutmenschen!“- und „Ausverkauf!“-Unkenrufern zum Trotz, denen ja regelmäßig Pickel wachsen, wenn sie an die Hosen denken — nichts Anderes als: Punkrock. Punkrock als ewiger, unzerstörbarer Kern inmitten einer dicken Kruste aus Effekten und gnadenloser Routine.

Und als ob sie alle 12 000 Menschen im Rather Dome noch einmal genau daran, an den Punk, erinnern wollten, zeigen Campino und Co. zu „Wie viele Jahre (Hasta La Muerte)“ auf den Bühnenmonitoren Bilder der frühen, in knallbunte Klamotten gekleideten und manchmal besoffen über den Boden rollenden Toten Hosen. Die Botschaft im Subtext lautet dabei: Teenager mit Irokesenhaarschnitt auf dem Kopf und Familienvater mit Kind auf dem Arm vor derselben Bühne? Klappt alles. Ist nichts verwerflich dran. De Haupsaach es doch, et Hätz es jot. Und bei den Hosen ist dieses Herz gut und sehr, sehr weit.