Leichtathletik-Fest Blinder Sprinter siegt bei den Unger-Spielen
Düsseldorf · Marcel Böttger sorgt für ein Novum beim zweitältesten Sportfest Deutschlands. Der Tag in Rath war wieder ein Familientreffen der Düsseldorfer Leichtathleten.
Die 73. Wilhelm-Unger-Spiele des ART haben ihrem Ruf als Familien-Fest der Düsseldorfer Leichtathletik wieder alle Ehre gemacht. Daran konnte auch die geringene Teilnehmerzahl von 300 Aktiven wegen Terminüberschneidungen mit den NRW-Meisterschaften in Bottrop und der U 16-DM in Bremen nichts ändern. Im nächsten Jahr soll das wieder anders sein, dann steigt Deutschlands zweitältestes Sportfest wieder am letzten Sonntag im August, der sich früher über Jahrzehnte bewährt hatte.
Die Unger-Spiele gibt es bereits seit 1923, damals hießen sie noch „Düsseldorfer Kampfspiele“. Organisiert wuren sie vom damaligen Allgemeinen Turnverein 1877, der sich 1974 mit dem Rather TV 1890 zusammenschloss und sich seitdem ART nennt. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war im heimischen Waldstadion aber noch nicht an eine Wiederbelebung des Leichtathletikfests zu denken, das Stadion hatte zahlreiche Bombenschäden.
1947 belebte Wilhelm Unger das Leichtathletikfest wieder
Es dauerte gute zwei Jahre, ehe Wilhelm Unger, dem es im Gegensatz zu vielen anderen im Düsseldorfer Sport gelungen war, die Nazis weitestgehend aus seinem Verein herauszuhalten, die alten Kampfspiele wieder zu organisieren. Schnell konnte Unger das im westdeutschen Raum so beliebte Sportfest zu seiner Bedeutung zurückführen. Folgerichtig wurden die Spiele nach Ungers Tod in den 1950ern nach ihm benannt — wie die Straße, die zum Rather Waldstadion führt.
Als Siegerpreis für den damaligen Fünfkampf war 1923 eine fast sechs Kilogramm schwere Kupfer-Figur geschaffen worden, die 1974 letztmalig vergeben wurde. Diese tauchte im vergangenen Oktober nach mehr als 40 Jahren überraschend wieder auf. Um den „nackten Mann“ genannten Wanderpreis gab es heftige Diskussionen, die bis zum Vorwurf der „Nazi-Kunst“ reichten. Der ART wollte die Figur nämlich wieder als Wanderpreis für einen Nachwuchs-Athleten ausgeben. Doch das ließ sich allein wegen des künstlerischen Wertes nicht umsetzen.
Daniela Kreft kann ihre letzte EM-Chance nicht nutzen
Auch ohne ihre alte Trophäe locken die Unger-Spiele jedes Jahr zahlreiche Ehemalige an. Am Sonntag sah man im Rather Waldstadion wieder viele „Stars von einst“. Sie und die vielen anderen Zuschauer durften dabei eine Fülle starker Leistungen begutachten. Die Hoffnungen von ART-Weitspringerin Daniela Kreft auf die Qualifikation für die U 20-EM erfüllten sich jedoch nicht. Dafür hätte die 17-Jährige die Weite von 6,10 Meter springen müssen, der sie im Winter als österreichische U 20-Meisterin mit 6,08 Meter schon nahe gekommen war. Doch dann plagten sie Fußverletzungen, zudem musste das Abitur (2,0 Notendurchschnitt) gemeistert sein. Die längeren Trainingspausen waren am Sonntagnachmittag in Rath zu sehen. „Dani kann nach der holprigen Vorbereitung dennoch zufrieden sein,“ sagte ART-Trainer Ralf Jaros. Erst der letzte Sprung gelang ihr ordentlich, wenn auch mit 5,80 Meter zu kurz für die EM in 14 Tagen im schwedischen Boras.
So sorgte ein anderer für den Höhepunkt des Tages: Erstmals in der langen Geschichte der Unger-Spiele gewann ein Blinder den 100-Meter-Lauf. Marcel Böttger, der 25 Jahre alte Sprinter aus Annen, benötigte trotz des böigen Gegenwinds von 4,6 Meter/Sekunden nur 11,67 Sekunden. Dabei wurde er vom 42 Jahre alten Olympia-Sprinter Alexander Kosenkov über eine kurze Leine geführt. Die beiden lagen nach rund 80 Metern noch nicht vorne, stürmten aber auf den letzten Metern an der Konkurrenz vorbei. Obwohl sie sich die enge Bahn teilen mussten.
Jule Dormat zeigt sich immer mehr als Allround-Talent
Auch der Nachwuchs zeigte erstaunliche Leistungen. Wie die 16-jährige Lea Dreilich (ART) beim Weitsprung mit 5,62 Meter. Ihre Teamkollegin Jule Domat überzeugte derweil im Speerwerfen mit 42,08 Meter. Dabei ist Jule Domat eigentlich NRW-U 18-Meisterin im Stabhochsprung (Bestleistung im Vorjahr: 3,70 Meter). Doch nun sattelt sie auf den Siebenkampf um. Auch Antonia Zein machte beim Speerwerfen auf sich aufmerksam, die 13-Jährige vom ART warf ihren Speer auf 37,92 Meter und damit weiter als bei den Ruhr Games. Mit ihrer Weite in Rath hätte sie in Duisburg gewonnen.
Pech hatte dagegen ART-Dreispringer Dennis Trukawka: Der 18-Jährige, der im Winter in der Halle 13,91 Meter gesprungen war, verpasste draußen auch am Sonntag die U 20-Norm (13,70 Meter) für die DM in Ulm in 14 Tagen, diesmal um zehn Zentimeter.