Hanno Bremer: Wir kennen uns schon aus dem Umweltausschuss. Gratulation zum Einzug in den Stadtrat, ganz großartig.
Interview Lukas Mielczarek und Hanno Bremer „Ein langer Atem ist notwendig“
Düsseldorf. · Der Jüngste zieht für die Grünen in den Stadtrat, der Älteste für die CDU – ein Gespräch der Generationen.
Mit Lukas Mielczarek, 20 Jahre, und Hanno Bremer, 75 Jahre, ziehen das jüngste und älteste Mitglied neu in den Stadtrat ein. Ein Gespräch zwischen Jung und Alt, Grünem und Christdemokrat, Zielen und Kompromissen.
Lukas Mielczarek: Danke, ebenso.
Bremer: In dem Alter wäre das auch mein Traum gewesen, so früh in die Politik. Aber damals musste ich Geld verdienen. Es ist bis heute ein Problem, dass Berufstätige nicht in der Politik aktiv sein können, weil die Arbeitgeber nicht mitmachen.
Mielczarek: Ich kann das auch nur machen, weil ich Student bin und meine Zeit frei einteilen kann. Das ist ein strukturelles Problem.
Dann ist es gar nicht erstaunlich, dass wir mit einem so großen Altersunterschied zusammensitzen. Dazwischen gibt es nicht viel.
Bremer: Stimmt. Was aber schade ist für die Zusammensetzung unserer Parlamente. Da fehlt eine mittlere
Altersschicht.
Diese ungleiche Verteilung trifft nicht nur auf das Alter zu. Die Grünen haben eine Frauenquote von 50 Prozent, die CDU nur 17.
Mielczarek: Mit dieser Wahl sind wir schon ein großes Stück in die richtige Richtung gegangen, was den Frauenanteil und den Altersquotienten betrifft. Aber es muss sich noch mehr bewegen. Wir haben einen 50-Prozent-Frauenanteil, weil wir bei der Aufstellung der Liste und der Verteilung der Wahlkreise darauf geachtet haben. Ich hoffe darauf, dass wir gesetzliche Regelungen dafür finden, also eine Frauenquote bei der
Listenaufstellung.
Bremer: Das sollte man nicht gesetzlich festlegen, das müssen die Parteien für sich regeln. Man muss einen Anreiz schaffen, um Junge und Frauen in die Politik zu holen. Aber die Strukturen in der CDU sind anders, wir haben viele Mitglieder, man muss sich in den Ortsverbänden durchsetzen.
Mielczarek: Oft ist es so, dass gerade junge Leute auf hinteren Listenplätzen kandidieren, weil sie sich nicht nach vorne trauen. Da sind ja schon Leute, die haben das sechs Jahre lang gemacht, die haben Erfahrung. Aber es geht nicht darum, andere zu verjagen, es ist ein Miteinander, jung, alt und mittelalt. Eigentlich kann es nicht sein, dass man ein natürliches Anrecht auf ein Ratsmandat hat, weil man schon 20 Jahre lang dabei ist.
Herr Bremer, Sie sind seit
41 Jahren in der Kommunalpolitik. Warum zieht es Sie jetzt in den Rat?
Bremer: Das ist für mich eine Weiterentwicklung. Ich war Bezirksvertreter, Fraktionssprecher, Bezirksbürgermeister. Jetzt habe ich mich für den Rat beworben. Dass meine Partei mich aufgestellt hat, das fand ich großartig.
Herr Mielczarek, bei Ihnen ist es anders. Sie sind erst 20 und schon Ratsmitglied.
Mielczarek: Ich war vier Jahre im Jugendrat und in unterschiedlichen Ausschüssen, auch in der Bezirksvertretung als beratendes Mitglied. Ich war bei „Fridays for Future“ aktiv und habe den Klimanotstand-Antrag eingebracht. Dabei habe ich gemerkt: Wenn ich noch mehr erreichen will, dann ist die logische Konsequenz, sich für den Stadtrat aufzustellen.
Bleibt Umweltschutz Ihr Leib-und-Magen-Thema?
Mielczarek: Es ist auf jeden Fall das, was mich politisch treibt. Wenn ich durch die Stadt gehe und denke: Hier könnten alle Dächer mit Solaranlagen bedeckt oder hier könnte ein Radweg möglich sein. Klar, wer schon seit
20 Jahren diese Politik gestaltet, sagt mir, dass das nicht so einfach ist. Aber es wichtig, dass junge Menschen hinterfragen: Kann das nicht anders sein? Dann können wir sehr viel für die Stadt erreichen.
Bremer: Ich könnte mich mit Ihnen gar nicht streiten, weil ich dieselbe Intention habe. Nur breche ich die mehr auf das Konkrete runter. Ich kümmere mich um meinen Stadtbezirk 7: Gerresheim, Hubbelrath, Knittkuhl. Ich kämpfe schon seit Jahren um den Erhalt jedes einzelnen Baumes. Ich betrachte das als Bewahren von Heimat. Wir müssen auch neue Verkehrswege finden, da bin ich völlig einer Meinung. Ich fordere seit 30 Jahren einen Tunnel unter dem Grafenberger Wald, um die Bergische Landstraße zu entlasten. Man muss einfach einen langen Atem haben.
Herr Mielczarek, motiviert oder frustriert es Sie, so etwas zu hören?
Mielczarek: Mich motiviert auf jeden Fall die Botschaft: Dranbleiben. Ich habe schon die Hoffnung, dass gewisse Dinge nicht 30 Jahre dauern, auch durch die Arbeit, die schon geleistet wurde. Mir ist bewusst, dass man nicht alles sofort bekommt, aber ich fordere das trotzdem ein, sonst kommt es ja nie.
Bremer: Das Schwierigste ist manchmal, die eigenen Leute zu überzeugen, gar nicht den politischen Gegner.
Haben Sie das auch schon erlebt?
Mielczarek: Bei uns war die Frage der Baumfällungen für das Open-Air-Konzert sehr umstritten. Am Ende ist die Entscheidung gefallen, dagegen zu stimmen. Aber jede Person hat ihre Meinung, da streitet man sich schon sehr viel. Was auch gut ist, das bringt voran.
Bremer: Sie haben da was ganz Wesentliches gesagt. Es gibt nicht „die Grünen“ oder „die SPD“. Wir beide zum Beispiel haben überhaupt kein Problem. Zumindest habe ich noch keins gefunden.
Mielczarek: Mal gucken. (lacht)
Bremer: Den ein oder anderen Diskurs wird es noch geben. Die entscheidende Frage ist immer: Ist jemand kompromissfähig? Erfolgreiche Politik kann man machen, wenn man Kompromisse findet zum Wohle der Bürger. Zum Beispiel bei den Radwegen: Ich bin natürlich dafür, Radwege zu schaffen. Aber deswegen würde ich den Leuten nicht das Autofahren verbieten.
Mielczarek: Würde ich auch nicht.
Bremer: Ich habe gelegentlich im Umweltausschuss und in der Bezirksvertretung übrigens gegen Baumfällungen gestimmt – als Einziger in meiner Partei.
Mielczarek: Respekt.
Bremer: Ich war Gott sei Dank schon aufgestellt (lacht). Diesen Rat kann ich Ihnen geben: Man muss Rückgrat haben. Ich habe mich in meiner gesamten politischen Karriere oft mit meinen eigenen Leuten angelegt. Das hat mir viel Ärger eingebracht, aber auch einen gewissen Respekt. Tun Sie, was Sie für richtig halten. Und bleiben Sie dabei.
Werden Sie oft unterschätzt, Herr Mielczarek?
Mielczarek: Die meisten sind sehr offen für die Mitwirkung junger Leute. Das muss sich aber auch entwickeln. Als ich 2016 in der Bezirksvertretung angefangen hab, war das schon hart. Da gab es das ein oder andere Augenrollen, wenn ich gefragt habe: Warum müssen diese Bäume fallen? Die Antwort war dann regelmäßig: So ist das eben. Ich glaube, dass dieses Nachhaken den richtigen Nerv getroffen und auch andere Leute dazu ermutigt hat.
Herr Bremer, Sie dürfen gerne kontern.
Bremer: Da gibt‘s nichts zu kontern. Ich bin auch als junger Mensch in die Bezirksvertretung gekommen und kann das nur bestätigen. Ich habe mich damals – genauso wie Herr Mielczarek – unbeliebt gemacht, weil ich bis zur Akteneinsicht dran geblieben bin.
Haben Sie sich selbst nie beim Augenrollen erwischt?
Bremer: Dass die anderen über mich die Augen rollen, weil ich so alt bin – das kenne ich (lacht). Nein, im Gegenteil, ich freue mich, wenn ich mit jungen Leuten zu tun hab, das hält mich selbst jung.
Es ist recht still geworden um „Fridays for Future“ in Düsseldorf. Ist der nächste Schritt erreicht, weil Leute wie Sie politische Ämter
besetzen?
Mielczarek: Beides ist wichtig, sowohl Protest auf der Straße als auch laute Worte in den Parlamenten. Wenn wir alle in die Räte gehen, ist niemand mehr auf der Straße und dann schwindet die Öffentlichkeit. Und das ist, was den Diskurs im letzten Jahr so nach vorne gebracht hat.
Wie haben Sie die Proteste empfunden, Herr Bremer?
Bremer: Ich war früher selbst bei Demonstrationen, gegen den Nato-Doppelbeschluss zum Beispiel. Der Unterschied war, dass wir in die Schule gehen und am Wochenende demonstrieren mussten. Was mich manchmal ein bisschen stört – das ist kleinkariert, ich geb‘s zu – wenn die gleichen Leute, die für die Umwelt demonstrieren, später ihre Pizzakartons liegen lassen. Generell ist Umweltschutz auch mein Anliegen. Und ich sehe den Widerstand bei den Politikern gar nicht so extrem.
Mielczarek: Ich glaube schon, dass eine gewisse Blockadehaltung besteht, einen schnelleren Kohleausstieg durchzuführen. Natürlich, da geht es auch um Arbeitsplätze. Aber am Ende wollen wir doch alle Klimaneutralität, die Frage ist wie schnell. In Sachen Klimaschutz darf der Kompromiss nicht zu weit nach hinten verschoben sein.
Was haben Sie gelernt in Ihrer Zeit in der Politik, in 41 und in vier Jahren?
Bremer: Vor allem die Bürger mitnehmen, Kompromisse eingehen und einen langen Atem haben. Bei mir konnte es früher nicht schnell genug gehen. Aber wer mit dem Kopf durch die Wand will, kommt in der Nachbarzelle wieder raus.
Mielczarek: Beharrlich sein und den Mund aufmachen. Das hat mich am Anfang große Überwindung gekostet. Ich war immer der Schüchterne, aber das habe ich abgelegt.