Konzert Mahlers Monumentalwerk in der Tonhalle Düsseldorf
Die 8. Sinfonie unter Adam Fischer wirkte zeitlos. Die Aufführung stieß dennoch an ihre Grenzen.
Düsseldorf. Kann eine Musikkritik über Gustav Mahlers 8. Sinfonie ohne ein Zitat des Schlusschores „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis…“ auskommen? Doch sind die letzten acht Zeilen aus Goethes Faust 2 viel zu magisch, um auf sie verzichten zu können. Und zudem können sie, wenn man so will, einen Schlüssel liefern, um sich einer Aufführung von Mahlers zweisitzigem Monumentalwerk sprachlich zu nähern. Dies ist indes schwer genug, denn gerecht wird man den überaus großen Anstrengungen, denen Musiker, Sänger, Organisatoren, Dirigent und nicht zuletzt das Publikum bei der „Sinfonie der Tausend“ - so der etwas abgenutzte Kosename - ausgesetzt sind, kaum. Ist Mahlers „Achte“ eigentlich nicht aufführbar, so sind ihre Aufführungen eigentlich auch nicht kritisierbar.
Ádám Fischers Interpretation der „Achten“ in der Düsseldorfer Tonhalle zeigte auf wahrhafte Weise, dass Mahlers zwischen 1906 und 1907 komponierte Sinfonie trotz ihrer aus der Entstehungszeit heraus deutbaren Besonderheiten zeitlos und überaus lebendig gespielt werden kann. Sie zu einem verkrusteten Denkmal einer Zeit, als man mit musikalischen Babeltürmen nach Sternen griff, zu machen, wurde oft genug verbrochen. Sie zugleich „modernisieren“ zu wollen, ihre bisweilen unter dem großen Bogen zu Tage tretende Schroffheit herauszukehren ist auch keine Lösung. Fischer gemeinsam mit dem Chor des Musikvereins, der auch hier würdig seinen 200. Geburtstag feiert, unterstützt durch den Philharmonischen Chor Bonn und der Kölner Kartäuserkantorei, ergänzt durch den Clara-Schumannn-Jugendchor und natürlich die Düsseldorfer Symphoniker, und die hervorragenden Solisten, enthoben das Werk seiner Vergänglichkeit.
Sie lassen das Werk atmen, erlauben auch aber dessen unermessliche Kraftentfaltung sich ins Grenzenlose, wenngleich kontrollierte, zu steigern. Zugleich, und das ist Fischers Zugang, gewinnen darunter gerade die so Mahler-typischen spielerisch-jugendstilhaften Phrasen an Leichtigkeit. Wenngleich Fischer immer betont, dass dieses Werk eben kein typischer Mahler sei.
Auch wenn das Wort unzulänglich hier anders zu verstehen ist, die Aufführung in der Tonhalle hatte auch mit Unzulänglichkeiten zu kämpfen, die aber ausschließlich der Architektur geschuldet sind. Aus Platzmangel mussten die Chöre bis auf die Ränge verteilt werden, dies allein wäre kein Problem, doch die Akustik des Hauses ging bisweilen vor der übermächtigen Wucht der Tutti-Passagen auf die Knie.
Mahlers „Achte“ lebt aber eben nicht nur von seiner aus ihrer Größe erwachsenden Faszination, die bei dem Hymnus des ersten Satzes „Veni creator spiritus“, doch die Überhand hat. Vor allem die Schlussszene aus Faust 2 fordert einen Dirigenten, der sich nach der Ektase zügeln und fokussieren kann und das mystische wiederum nicht ins Neblige hinan ziehen lässt. Zudem bedarf es, trotz der Dramatik lyrische Qualitäten mitbringender und stimmlich mit Durchhaltevermögen gesegneter Solisten.
Mit Manuela Uhl, Polina Pasztircsák, Fatma Said als Mater Gloriosa, Katrin Wundsam, Katharina Magiera, Neal Cooper, Hanno Müller-Brachmann und Peter Rose, hatte man durchaus eine gute Wahl getroffen. Recht selten hört man heutzutage außerhalb ganz großer Musikmetropolen ein derart gelungenes Solisten-Ensemble.
Mit dem Ewig-Weiblichen ist es so eine Sache. Doch wenn man die letzten etwas mehr als 120 Takte, erschöpft von dem Vorangegangenen auf sich wirken lässt, so gewinnt man eine Ahnung davon, was damit gemeint sein könnte. Man möchte hinan sinken, je nach Belieben in den Armen einer Frau oder eines Mannes — so viel „Gender“ muss sein. Und was bleibt sonst noch am Ende von Mahlers 8. unter Fischer in Düsseldorf? Die Erkenntnis, dass Joseph Haydns „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ aus „Die sieben letzte Worte unseres Erlösers am Kreuze“, was Fischer dem Mahler vorangestellt hatte, trotz der symphonischen Stürme nachhaltig in Erinnerung bleibt.