Interview Schubert und Haydn in Mahlers Sinfonien entdecken

Ádám Fischer verrät vor der Aufführung von Mahlers 8. Sinfonie in der Tonhalle Düsseldorf, wieso für ihn diese Musik zur „Wiener Klassik“ gehört. Ein Bekenntnis.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Der ungarische Dirigent Ádám Fischer, der „Prinicipal Conductor“ der Düsseldorfer Symphoniker, hat eine ganz eigene Sicht auf Gustav Mahler und die Wiener Klassik. In seinen Konzerten in der Düsseldorfer Tonhalle wird diese Auffassung musikalisch spürbar. Wir sprachen mit ihm im Vorfeld der Aufführung von Mahlers 8. Sinfonie im Rahmen seines Düsseldorfer Mahler-Zyklus.

Herr Fischer, was macht Mahlers 8. Sinfonie, neben der imposanten Besetzung so außergewöhnlich und faszinierend?

Ádám Fischer: Das ist eine schwierige Frage. Ich kann nur von der Herausforderung für uns Musiker sprechen. Das Stück geht in vielerlei Hinsicht in das Guinnessbuch der Rekorde ein. Das kann man nicht nur aus heutiger Sicht beurteilen. Diese Riesen-Besetzung und der jede Dimension sprengende Umfang haben mit der damaligen Zeit zu tun. Er wollte zeigen, was überhaupt mit Instrumenten, mit großen Chören und vielen Sängern gemacht werden kann. Es ist aber eine Falle für uns. Die logistischen Herausforderungen dürfen nicht die künstlerische Herausforderung überdecken. An erster Stelle muss stehen, der Kunst zu helfen, den Ausdruck der Musik präziser zu machen.

Was zeichnet diesen Ausdruck aus?

Fischer: Konkret glaube ich, dass die leisen kammermusikalischen Stellen nicht verloren gehen dürfen. Es ist sicherlich so, dass die Musik sehr üppig instrumentiert ist — es gibt weite Strecken, wo sie ermüdend laut sein kann. Das ist schon eine Herausforderung, es so zu gestalten, dass die Unterschiede präsent sind. Aber auch so, dass diese ängstlichen, sanften Augenblicke bewahrt bleiben. Es ist nicht leicht, dass 350 Menschen so leise singen, dass es mormorando oder verlöschend klingt. Ich möchte aber zeigen, dass 350 Sänger leiser singen können als 50.

Und darüber hinaus, was macht die „Achte“ so besonders?

Fischer: Es ist ein sehr religiöses Werk. Es ist beispielsweise eigenartig, dass die für Mahler typische Ironie und Selbstironie so gut wie fehlt. Sie ist nicht da. Das Werk will religiöse Überzeugung und den Glauben vermitteln und deshalb spielen wir es auch zusammen mit dem Stück von Haydn. Welches für Haydn auch nicht typisch ist. So ist bei „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ die auch für Haydn eigentlich typische Selbstironie nicht vorhanden. Es geht um Glaube und die Überzeugung. Wie das Herz von 500 Menschen gleich schlägt, das möchte ich zeigen. Auch die zarten Augenblicke, wie zum Beispiel der Schlussgesang von Faust „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis“. Das muss empfunden und nicht nur gespielt werden.

Inwieweit kommt Ihnen da die hohe Schule Ihres Lehrers Hans Swarowsky zugute, dem musikalische Zusammenhänge und interpretatorische Akkuratesse so am Herzen lagen?

Fischer: Swarowsky hat damit nur indirekt etwas zu tun. Meine Studienzeit in Wien spielt aber natürlich eine große Rolle und die Wiener Technik und Wiener Kultur. Ich glaube nämlich, dass die Wiener Klassik zusammenhängt. Und das bedeutet nicht nur Haydn, Mozart und Schubert, sondern auch Schönberg und Mahler. Ich suche immer den Schubert in Mahler. Die Wiederentdeckung von Mahlers Musik in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat auch dazu geführt, dass Mahler nicht aus der schubertschen Tradition heraus gespielt wurde. Die große Besetzung und die „lauten“ Stellen sind bei manchen zum Selbstzweck verkommen. Ich habe mal einen amerikanischen Journalisten gesprochen, der sich über die Amerikaner beklagt hat, dass sie manchmal die Einstellung hätten, je lauter ein Orchester spiele, desto besser sei es. Das ist der Tod von Mahler. Seine großen Besetzungen sind ein Mittel und dürfen kein Zweck sein. Für mich ist wichtig, Mahler mit der gleichen empfindlichen Sensitivität zu spielen wie Schubert. Wobei Schubert muss man mit der gleichen Dramatik spielen wie Wagner. Wenn ich den Haydn oder den Schubert in Mahler nicht zeige, ist das Mahler unwürdig.

Sie paaren Mahler konsequent mit Haydn.

Fischer: Sie sind verwandt. Seinen Stil führt Mahler fort. Musikalisch verbindet die beiden Komponisten viel mehr als Mahler mit einem Zeitgenossen, der nicht aus der Wiener Schule kommt. Haydn ist eigentlich der Radikalste unter den Wiener Klassikern. Er beherrscht den rustikalen Stil der Wiener Klassik am meisten. Mehr als Mozart und mehr als Beethoven. Und das hat Mahler aufgegriffen. Ich wollte eine Brücke zeigen, die da ist.

Mahler war, wie Sie, Operndirektor in Budapest.

Fischer: Ich habe eine gewisse innere Beziehung zu Mahler gespürt, als ich Budapest verlassen habe. Ich habe die gleichen Probleme am Budapester Haus gehabt wie er. Vieles ändert sich viel weniger, als man denkt. Er hat etwas Radikales ändern wollen in Budapest und hat es nicht gekonnt. Ich will jetzt nicht sagen, dass sich in den 100 Jahren nichts geändert hat in Budapest, aber es hat sich weniger geändert als man gedacht hat. Ich habe Mahler besser verstanden, nachdem ich auch in Budapest Operndirektor war und auch weggegangen bin.

Was lieben Sie an Düsseldorf besonders?

Fischer: Als man an mich herantrat habe ich gesagt, dass ich die organisatorischen Aufgaben nicht übernehmen kann, das ist für mich zuviel. Aber ich wollte sehr gerne den Mahler-Zyklus machen und eine CD-Aufnahme. Dafür, dass man mir das ermöglicht hat, bin ich sehr dankbar. Es ist ein Zufall, aber ein gütiger Zufall. Ich habe die Stadt gerne und habe die Musiker auch gern.

Die Sternzeichen-Konzerte mit Mahlers 8. Sinfonie sind ausverkauft. Es gibt indes am Donnerstag um 19.30 Uhr eine öffentliche Generalprobe.