Nach Kantholzattacke - Opfer ist verstorben
Der 44-Jährige ist seinen Verletzungen erlegen. Doch die drei jungen Männer bleiben auf freiem Fuß.
Düsseldorf. Der 44-Jährige, der am Freitag vergangener Woche von einem 17-Jährigen mit einem Vierkantholz niedergeschlagen wurde, ist in der Klinik gestorben. Bis zuletzt erwachte der Mann nicht mehr aus dem Koma. Er hatte sich in der Straßenbahn mit drei Jugendlichen wohl um deren laute Handy-Musik gestritten.
Ein Streit, an dessen Ende nun der Tod eines Menschen steht. Und doch muss vorerst niemand dafür hinter Gitter. Wie berichtet, können die Ermittler nach den Schilderungen der drei beteiligten Jugendlichen (16 und 17 Jahre alt) nicht ausschließen, dass es sich bei den Kantholz-Schlägen um Notwehr handelte.
Daran ändere auch der Tod des 44-Jährigen nichts, sagt Staatsanwalt Christoph Kumpa auf WZ-Nachfrage. Für Laien schwer nachzuvollziehen — das zeigen auch Zuschriften unserer Leser. Vielen erscheint es unverhältnismäßig, dass der 44-Jährige laut den jungen Männern mit einem Gürtel gedroht und zugeschlagen haben soll — und der 17-jährige Hauptverdächtige ihn im Gegenzug mit einem Kantholz totschlug.
Aber diese Vereinfachung lässt Kumpa nicht gelten. Nach den Schilderungen der drei Jugendlichen griff der 44-jährige Italiener den 17-Jährigen von hinten an, schlug mit der massiven Gürtelschnalle in Richtung Kopf. „Wenn das so stimmt, war es gefährliche Körperverletzung“, verdeutlicht der Staatsanwalt. „Und ich darf dann das tun, was erforderlich ist, um den Angriff abzuwehren.“ Der erste Schlag mit dem Kantholz habe die Rippen des 44-Jährigen getroffen — er kam laut den Jugendlichen aber weiter auf den 17-Jährigen zu, der wiederum zuschlug und diesmal den Kopf des Gegenübers traf.
„Er sagt: ,Ich habe um mich geschlagen, um ihn mir vom Leib zu halten’“, erklärt Kumpa. Von zielgerichteten Schlägen könne nach dieser Version keine Rede sein. Und laut Strafgesetz ist auch ein Überschreiten des Notwehr-Maßes straffrei, wenn es in „Verwirrung, Furcht oder Schrecken“ geschieht.
Der Grat zwischen Notwehr und Gewalttat ist schmal, das zeigen entsprechende Urteile. Der Bundesgerichtshof sprach 2011 etwa ein Hells-Angels-Mitglied frei, das einen SEK-Mann erschossen hatte, weil er diesen für einen Bandido hielt, der in seine Wohnung eindringen wollte. Denn: Sogar die falsche Annahme einer Notwehrsituation rechtfertige die Notwehr.
Besonders kompliziert lag der Fall Sven G. 2009 in München: Der Student saß 604 Tage im Gefängnis, weil er einem betrunkenen Jugendlichen, der seinen Freund niederschlug und dann ihn angriff, ein kleines Fischermesser in den Hals rammte und ihn schwer verletzte. Der BGH milderte ein erstes Urteil wegen versuchten Totschlags letztlich ab, G. wurde auf Bewährung entlassen.