Prügel im Kinderheim schon in den achtziger Jahren?

Ein Erzieher soll Kinder über Jahre schwer misshandelt haben. Strafrechtlich verfolgt wurde der Mann nie.

Düsseldorf. René Gelath ist 36 Jahre alt. Bis heute kann er kaum eine Nacht durchschlafen: "Ich habe Albträume und wache in Schweiß gebadet auf."

Was ihn verfolgt, sind die Erlebnisse als Kind in der Graf-Recke-Stiftung: "Ich bin über Jahre von einem Erzieher misshandelt und schikaniert worden." Der Mann wurde bereits 1989 entlassen, nachdem sich noch sieben andere Kinder beschwert hatten. Strafrechtlich verfolgt wurde er allerdings nie.

Seit knapp einem Jahr ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 17 ehemalige Mitarbeiter der Educon, einer Tochter der Graf-Recke-Stiftung. Sie sollen autistische Kinder misshandelt haben.

Nachdem das Verfahren bekannt wurde, meldeten sich immer mehr Betroffene. Darunter auch Gelath, der inzwischen in Berlin lebt. Der Epileptiker war von 1983 bis 1989 in dem damaligen Kinderheim Neu-Düsselthal untergebracht.

Wie Gelath berichtet, wurde er in den Jahren von dem Erzieher immer wieder geschlagen, getreten und an den Haaren gezogen. Einmal waren die Misshandlungen so brutal, dass er mit blutender Nase in das Zimmer des Heimleiters flüchtete.

Danach wurde Gelath in eine andere Gruppe verlegt. Zu den körperlichen kamen die seelischen Qualen. Wie Zeugen bestätigen, nannte der Erzieher den Jungen nur "Fiffi" und behandelte ihn wie einen Hund.

Wie die Graf-Recke-Stiftung bestätigt, wurde der Erzieher wenig später entlassen, weil er sieben andere Kinder ebenfalls gezüchtigt haben soll. Warum damals keine Anzeige erstattet wurde, kann auch Jürgen Peters, Geschäftsführer der Educon, nicht erklären: "Die handelnden Personen sind nicht mehr da. Wir würden heute in einem solchen Fall sicherlich nicht mehr so verfahren."

Als im vergangenen Jahr die Vorwürfe gegen die 17 Erzieher bekannt wurden, schaltete die Stiftung umgehend die Staatsanwaltschaft ein.

Inzwischen kann der Erzieher nicht mehr belangt werden. "Wenn man das als Körperverletzung wertet, ist das nach fünf Jahren verjährt", erklärt Johannes Mocken, der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Vergangen sind aber mehr als 20 Jahre.

Gelath hofft nun, dass er eine Entschädigung aus dem "Runden Tisch" bekommt, der von der Bundesregierung eingerichtet wurde, um Opfer von Gewalt in der Heimerziehung zu unterstützen. Die Recke-Stiftung hat Gelath sogar den Flug von Berlin finanziert, damit er sich seine Unterlagen abholen konnte.

Eine Entschädigung in Höhe von 5000 Euro, wie der 36-Jährige sie fordert, lehnt die Einrichtung allerdings ab. Sie habe sich nichts vorzuwerfen. Bereits seit den 70er Jahren müssen alle Erzieher eine Erklärung unterschreiben, dass sie sich an das "Züchtigungsverbot" halten.