Rekord: 22 000 Hunde leben in Düsseldorf
Hundetrainer Dirk Lenzen und Monika Piasetzky vom Tierschutzverein kritisieren den Anstieg. „Es gibt einfach immer öfter Theater“, sagen sie.
Düsseldorf. Genau 21 997 Hunde waren am 1. Januar 2018 in Düsseldorf gemeldet. Ein Rekordwert. Vor zehn Jahren waren es noch 19 141 Hunde. Seit dem ist die Zahl fortlaufend gestiegen — mittlerweile um 15 Prozent.
Zwei Experten fällen nun beim Blick auf die wachsende Hundestadt Düsseldorf ein höchst kritisches Urteil. Dirk Lenzen von der Hundeschule und Filmtieragentur Animalstar sowie Monika Piasetzky, Vorsitzende und Geschäftsführerin des Tierschutzvereins, sind sich einig: „Es gibt viel zu viele Hunde in der Stadt.“ Und Lenzen schiebt hinterher: „Eigentlich dürfte ich das aus kaufmännischer Sicht mit Blick auf mein Unternehmen gar nicht sagen.“ Aber drumherum zu reden, helfe nicht. Und Piasetzky sagt: „Ich kann mir das auch nicht schönreden.“ Fast jeder müsse heute einen Hund haben. Oder auch gleich mehrere. „Mehrfachhaltung hat es früher nicht in dem Maße gegeben“, sagt Lenzen. Piasetzky ärgert, wie leicht man heute online, ohne Beratung, einen Hund bestellen könne. „Diese Tiere sind dann auch noch oft krank.“ Und immer mehr dieser Tiere landeten schließlich im Tierheim.
Beide beobachten das große Aufkommen von Hunden in Düsseldorf tagtäglich. Und das hat aus ihrer Sicht viele negative Folgen. Laut Lenzen werden immer mehr Hunde ins Territorium eines anderen Hundes gezwungen, obwohl sie das gar nicht wollen. Auf der Rheinwiese, bei Hundetreffen oder auf eingezäunten Hundeplätzen. „Die Hunde werden dabei vergessen. Und das führt zu mehr Konflikten, zwischen den Tieren und auch den Menschen. Es gibt einfach immer öfter Theater.“
Zumal die Experten bei vielen Hundebesitzern ein hohes Maß an Unwissenheit ausmachen. Hinzu kommt ein psychologisches Problem: das Tier als Freundersatz. „Vor allem in einer Single-Stadt wie Düsseldorf ist das ein großes Thema“, sagt Lenzen. Das Tier würde viel zu stark emotional aufgeladen. „Aber Probleme lassen sich nicht wegstreicheln“, sagt Lenzen. „Hunde erwiderten diese Emotionen nicht, sie kennen keine Dankbarkeit, sondern sind Egoisten.“ Oft stünden verzweifelte Menschen vor ihm, die nicht verstünden, warum der Hund jetzt das Sofa zerbissen habe.
Die Unwissenheit hat laut Lenzen und Piasetzky weitere Folgen. Viele Hundehalter seien überrascht von den Kosten, die etwa gesundheitliche Behandlungen kosteten. Sie seinen sich auch nicht im Klaren über den nötigen Zeitaufwand. Dreimal pro Tag eine Stunde Gassigehen empfiehlt Lenzen, bei ganz kleinen Hunden könnte es auch etwas weniger sein. Wenn ein Hund nicht ausgelastet ist, drohten weitere Schwierigkeiten. Piasetzky: „Entweder die Tiere werden zu dick oder aggressiv.“ Sie empfiehlt erst einmal ein Schnupperwochenende mit Hund, das das Tierheim anbiete.
Noch mehr ärgert es sie, dass Hundebesitzer oftmals nicht nur nicht richtig mit ihrem Tier umgingen, sondern auch noch unverschämt seien und sich nicht an Regeln hielten. „Es ist unglaublich, wie oft Hundehaufen auf dem Bürgersteig liegen oder die Tiere nicht angeleint sind. Hier müsste die Stadt viel stärker kontrollieren.“ Die Einnahmen könne sie in die Sauberkeit der Hundeplätze investieren. Außerdem brauche es mehr Freilaufflächen. Fast 2,2 Millionen Euro jährlich nimmt die Stadt durch die Hundesteuer ein.
Auch Lenzen ist fassungslos, wenn er Hunde freilaufen sieht, wo sie es nicht dürften, insbesondere an Straßen. „Das ist, als ob ich bei Tempo 180 auf der Autobahn die Hände vom Lenker nehme und mir ein Brot schmiere.“ Hunde könnten plötzlich auf die Straße laufen, und wer wisse schon wie ein Hund reagiert, wenn ein Kind hinfällt oder nach einem Spielzeug greift. Zudem gehe es auch darum, anderen Menschen ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln.
Wenig Positives fällt Lenzen auch zur Industrie ein, die am Hundeboom mitverdienen wolle. Er nennt etwa Intelligenz-Spielzeug, das mit vielen Leckerchen arbeite. „Da muss ich mich dann nicht wundern, wenn mein Hund draußen alles aufnimmt, was er auf dem Boden findet.“ Besonders kritisiert er Knochen, Plüschtiere oder Bälle, die quietschen. „So verlieren Hunde nach und nach ihre Beißhemmung.“ Von Natur aus ließen Hunde sofort ab, wenn ein gepacktes Tier zu quieken anfange.
Auch bei vielen Tiertrainern beobachte er, dass sie in erster Linie am Geschäft interessiert seien. „Natürlich nicht alle.“ Und auch viele Dogsitter, die sich tagsüber um die Hunde von Berufstätigen kümmerten, machten oft einen guten Job. Piasetzky ergänzt, dass es natürlich auch viele engagierte Hundehalter gebe, die sich richtig kümmern. Doch auch das helfe nicht immer. Lenzen: „Es ist bei Welpen Glückssache, ob sie zu ihrem Herrchen passen. Dominante Herrchen passten nicht zu unterwürfigen Hunden und umgekehrt.“ Jungen Hunden könne man ihren Charakter aber noch nicht ansehen. Piasetzky: „Im Tierheim können wir die Tiere da schon viel besser einschätzen. Wir achten da sehr genau darauf, Herrchen und Hund passend zusammenzuführen.“