Rheinkraut: Festival fördert sich selbst
Vibravoid-Frontmann Doktor Koch will dem Krautrock der 68er-Bewegung wieder eine Plattform bieten. Ohne Hilfe der Stadt.
Einst galt Düsseldorf als Vorläufer der Elektronik- und Rockmusik in Deutschland. International ist die Rheinmetropole noch heute als Geburtsstadt des Krautrock bekannt. Kraftwerk, zu seiner Zeit als Kunstprojekt zweier Düsseldorfer Studenten entstanden, wurde ein Welterfolg. Ihre Alben verkauften sich in den USA hunderttausendfach. Und das mit deutschen Texten.
Seitdem ist die Musikszene der Stadt jedoch etwas eingeschlafen, findet zumindest Christian Koch, oder Doktor Koch, wie er in der Szene genannt wird. „Es ist nicht so, dass in Düsseldorf keine gute Musik mehr gemacht wird. Viel mehr mangelt es inzwischen einfach an Clubs und Förderung“, sagt Koch. Um den einst sehr aktiven Düsseldorfer Underground am Leben zu erhalten, hat er das Rheinkraut Festival erschaffen. Und das organisiert er ohne Förderung der Stadt. Pünktlich zum 50-Jährigen Jubiläum der 68er-Bewegung sollen psychedelische Klänge in Düsseldorf wieder eine Bühne bekommen.
In der Szene kennt Doktor Koch sich als Frontmann der Düsseldorfer Psychedelic-Band Vibravoid aus. Die Band gab im Februar den Auftakt für das junge Festival. Am Dienstagabend fand am Kulturschlachthof die zweite Ausgabe statt. An diesem Ort treffen sich seit den Neunzigerjahren bis heute die Anhänger der Düsseldorfer Underground-Musik. An diesem Abend treten „Love’n’Joy“ aus Kiew und „The Lykes“, eine junge Band aus Düsseldorf, auf.
Seit ihrer Gründung im Sommer letzten Jahres hatten „The Lykes“ bereits einige Auftritte in und um Düsseldorf. „Wir hatten das Glück, einige gute Gigs an Land ziehen zu können“, sagt Sängerin Nathalie Wadkien. Sonst sei es in Düsseldorf nämlich nicht immer leicht, eine Bühne zu finden. Die Location des Festivals, R25, wirkt wie aus einer anderen Zeit, findet auch Wadkien: „Hier erinnert alles sehr an die Zeiten des Underground. Diese Stimmung spürt man sofort.“
Wadkien und ihre Bandkollegen sind froh über jede Gelegenheit, ihre Musik spielen zu können. Und darum geht es beim Rheinkraut-Festival, erklärt Christian Koch: „Kunst ist Zukunft. Unser Festival ist international und soll Kultur und Künstler aus Düsseldorf und NRW über die Grenzen der Stadt exportieren.“ Entstanden ist die Idee aus dem Bedürfnis, Künstler in Düsseldorf zu fördern, die ansonsten keine Unterstützung erhalten. In den Förderstrukturen der Stadt sieht Koch viele Defizite.
„Die Kulturförderung in Düsseldorf ist eine Katastrophe. Es gibt zu wenige Clubs und Bühnen, und die Förderung der Stadt ist realitätsfern“, sagt er. In Dortmund etwa gibt es über 40 Clubs für Livemusik, während es hier immer weniger werden. Das habe auch Einfluss auf die Attraktivität der Stadt, findet Koch: „Düsseldorf galt eigentlich immer als die Electro-Hauptstadt. Doch wenn das so ist, frage ich mich, wieso die wichtigsten Bands der Szene, wie Mouse on Mars, von hier abgehauen sind.“
Koch wünscht sich für die Künstler der Stadt eine realitätsnahe Förderung. Das bedeutet für ihn die Besinnung auf städtische Traditionen, Künstler und Themen. Seine Vorschläge haben beim Bürgermeister und im Kulturamt bisher jedoch kein Gehör gefunden: „Ich habe Vorschläge gemacht, etwa auch Risikoförderung oder Negativförderung aufzunehmen. Doch in den bürokratischen Förderstrukturen scheinen Veränderungen unerwünscht.“ Immerhin sei nicht jeder Veranstalter in der Lage, die Finanzierung einer Veranstaltung vorzustrecken, bis Fördergelder fließen. In seinen Augen sollten im Kulturamt „Leute sitzen, die ihren Beruf mit Leidenschaft machen“.
Das nächste Rheinkraut-Festival findet am 3. November statt, diesmal im Weltkunstzimmer. Außerdem gibt es am 27. Oktober die erste Ausgabe außerhalb Düsseldorfs im Dortmunder Piano.
stonedkarma.com/rheinkraut