Ringfieber: Im „Siegfried“ ist Wotan wie ein alter Firmenchef

Bassbariton Simon Neal über seine Rolle als Wanderer in Richard Wagners „Siegfried“.

Foto: Hans Jörg Michel

Der englische Opernsänger Simon Neal übernimmt im „Siegfried“— der am 7. April im Düsseldorfer Opernhaus Premiere feiert — die Rolle des Gottes Wotan. Neal arbeitete vor seiner Bühnenkarriere im Management von Wirtschaftsunternehmen. Heute ist er ein weltweit gefragter Wagner-Sänger.

Wie sind Sie vom Musikstudium zum Management in der Wirtschaft und wieder zurück ins Musikleben gekommen?

Simon Neal: Nachdem ich Musik studiert hatte, merkte ich mit 21, dass meine Stimme noch etwas Zeit brauchte. Meine Freunde waren alle Nicht-Musiker, arbeiteten bei der Bank oder als Steuerberater. Darum bin ich erstmal in die Wirtschaft gegangen.

Was genau haben Sie gemacht?

Neal: Ich habe in London zuerst für das Marketing-Department einer Firma gearbeitet, die für Immobilien-Finanzierung zuständig ist. Später war ich im Bereich Auto-Leasing für Renault tätig und befand mich in der Marketing-Direktion.

Und dann?

Neal: Mit 28 merkte ich, dass sich meine Stimme weiterentwickelt hatte, und begann, sie privat weiter ausbilden zu lassen. Ich wollte das Singen zum Beruf machen. Mein Deutschland-Debüt gab ich 2005 bei den Antikenfestspielen in Trier, später kam ich ans Theater Dortmund.

War das eine große Umstellung?

Neal: Ich habe festgestellt, dass es viele Parallelen gibt. In den Chefetagen begegnet man vielen starken Egos. Und in der Opern-Welt ist es genauso.

Apropos: Den Wotan kann man sich gut in einem großen Konzern als CEO mit starkem Ego vorstellen, oder?

Neal: Ja absolut! Ich stelle mir den „Rheingold“-Wotan noch als jungen Unternehmer vor - mit ganz vielen Ideen, aber ohne Geld. Die Situation im ganzen „Ring“ ist für Wotan problematisch. Es gibt nur eine kurze Ausnahme: Am Anfang des zweiten Aktes „Walküre“ sitzt Wotan am Familientisch und seine Pläne scheinen aufzugehen. Doch die optimistische Stimmung hält nur fünf Minuten an. Denn dann kommt Ehefrau Fricka und durchkreuzt Wotans Plan, mit dem Sohn Siegmund die Dynastie zu retten. Im „Siegfried“ ist Wotan dann wie ein alter Firmenchef, der den Stab nicht abgeben kann.

Scheitert Wotan an Siegfried?

Neal: Eigentlich will Wotan sogar durch Siegfried von seiner Machtposition gestoßen werden. In der letzten Szene mit Erda äußert Wotan den Wunsch, dass Siegfried kommt und eine neue Zukunft gestaltet.

Sehen Sie Parallelen zwischen Managern in ihrem alten Berufsleben und Wotan?

Neal: Ich bin vielen Führungskräften mit sehr starkem Ego begegnet. Ich hatte ja auch 15 Jahre Zeit, mir das in meiner damaligen Branche anzusehen. Götter mögen unsterblich sein, aber im „Ring“ verhalten sie sich sehr menschlich.

Was ist für Sie die größte Herausforderung an der Partie?

Neal: Für mich kann ich sagen, dass ich erst jetzt die richtige Reife habe, um die Partie zu gestalten. Als Darsteller müssen wir ja auch echte Gefühle zeigen, und die wirken nur glaubwürdig, wenn sie von tief innen kommen. Die größte Schwierigkeit ist es, durchgehend konzentriert und in der Rolle zu bleiben und nicht privat zeigen, dass man schon an die nächste schwierig zu singende Stelle denkt.