Gericht Schmerzensgeld für den toten Sohn - Eltern verklagen Neffen

Sie verloren ihren einzigen Sohn, weil er erschlagen wurde. Nun gehen die Eltern des Opfers zivilrechtlich gegen den Täter vor. Es ist ihr Neffe.

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Düsseldorf. Die Stimme des Rentners ist belegt, er kämpft mit den Tränen. Obwohl sein Widersacher es vorgezogen hat, im Gefängnis zu bleiben, ist dies für ihn kein leichter Termin. Im Dezember 2013 wurde sein einziger Sohn umgebracht. Hier im Düsseldorfer Landgericht, zwei Etagen tiefer, hat er dem Täter gegenüber gesessen. Am Dienstag kommt alles wieder hoch. Trauer, Wut, Zorn.

Gemeinsam mit seiner Frau hat der Rentner aus Korschenbroich den Mann verklagt, der einmal für ihn wie ein zweiter Sohn war - seinen Neffen. Von ihm fordert das Paar nun 146 000 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld für den getöteten Sohn. Zumindest teilweise seien die Forderungen berechtigt, sagt die Vorsitzende Richterin Katrin Jungclaus in einer vorläufigen Bewertung. Die verlangten 146 000 Euro werden es aber wohl nicht werden. Was treibt die Eltern? Ist es Rache, oder der Versuch, doch noch die Wahrheit herauszufinden, um abschließen können?

Daniel und sein Cousin wuchsen wie Brüder auf, Garten an Garten. Doch eines Tages liegt Daniel tot neben seinem Auto an einer Landstraße im nahegelegenen Kaarst. Jemand hat ihm den Schädel zertrümmert. Der 35-Jährige erstickt an seinem Blut. Nach wochenlangen Ermittlungen kommt zum Entsetzen seiner Eltern heraus: Es war sein Cousin. Der angehende Sportlehrer war damals 28 Jahre alt. Wegen Totschlags sitzt er seither im Gefängnis, rechtskräftig zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ende 2020 könnte er auf Bewährung freikommen.Bis heute schweigt er zum Motiv seiner Tat, was für die Eltern des Opfers nur einen Sinn zu haben scheint: der lebenslangen Haft wegen Mordes zu entrinnen. Bis heute quält die Eltern des Opfers daher eine Frage: „Warum?“

Inzwischen könnte der Täter einigermaßen gefahrlos sein Schweigen brechen, sagt die Gerichtssprecherin: Weil er bereits rechtskräftig verurteilt ist, droht ihm auch im Fall eines nachträglichen Mord-Geständnisses keine höhere Strafe. Zwar kann er auch im Zivilverfahren die Aussage verweigern, wie sein Anwalt betont, aber im Gegensatz zum Strafprozess kann ihm das diesmal zum Nachteil gereichen.

Daniels Eltern verlangen nicht nur jeweils 25 000 Euro Schmerzensgeld für ihren eigenen Schmerz, sondern auch für den ihres Sohnes - als Erben. Das hat Folgen: Das Gericht muss nun mit Hilfe von Ärzten erforschen, ob und wie sehr der Sohn gelitten hat, bevor er starb. Den Täter will das Gericht aus seiner Zelle holen: „Wir werden ihn dazu vernehmen“, kündigt die Richterin an. Der Anwalt der Gegenseite, Hans-Jürgen Auer, erkennt nur die Beerdigungskosten von fast 10 000 Euro als berechtigte Forderung an. Schon bei dem Betrag von 780 Euro für Blumen und Kränze äußert er Zweifel, verlangt weitere Nachweise. Da platzt dem Kläger der Kragen. Die Richterin bittet ihn um Mäßigung: „Ich weiß, es fällt ihnen sehr schwer hier.“

Bei den Ermittlungen fanden sich Nacktaufnahmen minderjähriger Schülerinnen und gefälschte „Scheine“ für das Studium des Sportlehrers. Es kommt heraus, dass der als Student ein Verhältnis mit einer Dozentin hatte, die deswegen ihre Stelle verliert. War Daniel dahinter gekommen? Musste er deshalb sterben? „Der Mörder hat uns vier Wochen lang belogen“, sagt der Vater. „Mein Mandant ist kein Mörder“, sagt dessen Anwalt. Dass er seinen Cousin umgebracht hat, hatte er am Ende des Prozesses gestanden. In seinem Wagen waren winzige Blutspritzer des Opfers entdeckt worden. Wann der Prozess weitergeht, steht noch nicht fest.