Abriss Brause-Abriss: Stadt spricht von „Cowboymanier“ und Verfahrenstricks des Investors
Düsseldorf · Die Verwaltung sieht sich von Investor Project Immobilien bewusst getäuscht. Das könnte Auswirkungen auf dessen noch nicht genehmigten Bauantrag haben.
Der überraschend begonnene Abriss der „Brause“-Tankstelle durch den Investor Project Immobilien sorgt für mächtig Ärger. In einer Stellungnahme der Stadtverwaltung dazu, was am Freitagnachmittag an der Bilker Allee passiert ist, ist von „Cowboymanier“ und Verfahrenstricks die Rede, mit denen der Investor die „allgemeine Verwaltungspraxis“ ausgenutzt haben soll, um vorzeitig Fakten zu schaffen. Mehr noch, Project Immobilien soll sich dafür zuvor Zeit erspielt haben. Das könnte dem Bauunternehmen, das an dem Standort Wohnungen bauen will, jetzt aber zum Verhängnis werden. Am Dienstag wurde außerdem von der Stadt eine vorläufige Unterschutzstellung der Brause-Reste herausgegeben. In der Ratssitzung am Donnerstag werden drei Anfragen von SPD/FDP, den Grünen und den Linken behandelt und von Baudezernentin Zuschke beantwortet. Die wichtigsten Fragen im Überblick.
Was genau wirft die Stadt dem Investor vor? Die Stadt sagt, dass der Investor von dem laufenden Denkmal-Verfahren zur Unterschutzstellung gewusst haben soll. „Er ist hierzu angehört worden und hat über seinen Anwalt bezüglich der Äußerungsfrist zum Verfahren zur Unterschutzstellung schriftlich um eine Fristverlängerung bis zum 09.12.2019 gebeten“, heißt es in der Stellungnahme, die unserer Redaktion vorliegt. Diese Frist soll er aber nur beantragt haben, um einer sich anbahnenden Unterschutzstellung zuvorzukommen. Der Investor habe aus Sicht der Stadt eine Gesetzesänderung „in ‚Cowboymanier’ ausgenutzt. Die gängige Verwaltungspraxis sei von einem Dienstleistungsgedanken geprägt, der durch solche Verfahrenstricks konterkariert werde. Das sei außerordentlich bedauerlich und man verurteile diese Praxis. Der Abriss wurde am Freitag zwar von der Stadt gestoppt, trotzdem stehen nur noch Reste des Gebäudes.
Was war die Ausgangslage? Im Mai dieses Jahres war für das Areal der Antrag auf Prüfung zur Denkmalwürdigkeit von der Bezirksvertretung 3 beschlossen und an die Stadtverwaltung weitergegeben worden. Seit dem lief das Prüfverfahren. „Hätte der Investor nicht eine Fristverlängerung beantragt, dann wäre das Verfahren zur Unterschutzstellung schon abgeschlossen gewesen“, sagt Bezirksbürgermeister Marko Siegesmund (SPD). „Ich selbst habe auch mehrfach mit dem Investor gesprochen. Der wusste von dem Verfahren.“ Seit einer Änderung des NRW-Baurechts muss für Objekte unterhalb einer gewissen Größe keine Abrissgenehmigung mehr eingeholt werden, das Abrissvorhaben muss der Verwaltung angezeigt werden und innerhalb eines Monats darf dann mit den Arbeiten begonnen werden – wenn es keine Einschränkungen etwa durch Denkmal-Fragen gibt. Ob das durch die enge Kommunikation zwischen Stadt und Investor und zumindest durch das Wissen um das laufende Verfahren gegeben war, müssen jetzt Rechtsexperten prüfen, was beide Seiten auch angekündigt haben.
Hätte die Stadt vorsorglich eine vorläufige Unterschutzstellung beantragen müssen? Das ist laut Stadtsprecher Mario Brembach zumindest keine gängige Praxis. Die Stellungnahme der Stadt lässt auf die Annahme ein Vertrauensverhältnis schließen, das nun natürlich erschüttert worden sei. Offenbar geht man nun aber doch auf Nummer sicher: Dem Eigentümer ist am Dienstag der Bescheid über die vorläufige Unterschutzstellung des Objekts zugestellt worden.
Was sagt der Investor? Project Immobilien verteidigt sich gegen die Vorwürfe eines „Schwarzabrisses“. Am 21. Oktober sei von der Stadt die Bestätigung der Anzeige für den Abriss eingegangen. Nach Ablauf eines Monats habe man also rechtmäßig mit dem Abriss beginnen dürfen. Und es habe sich bei dem Objekt auch nicht um ein Denkmal gehalten: „Weder ist der Eigentümerin ein Bescheid zur Unterschutzstellung als Denkmal zugestellt worden, noch hat die Eigentümerin einen Bescheid über eine vorläufige Unterschutzstellung erhalten. Nur wenn ein solcher Bescheid vorliegt, handelt es sich um ein Denkmal“, heißt es in der Erklärung des Bauunternehmens. Man prüfe jetzt rechtliche Schritte gegen das Versiegeln der Baustelle am Freitag.
Warum hat die Stadt die Abriss-Anzeige überhaupt bestätigt? Die Bestätigung am 21. Oktober sei nur formeller Natur gewesen, sagt Marko Siegesmund. Man habe sich während dieser Zeit immer wieder im Austausch über die Denkmal-Thematik befunden. Und: Der Antrag auf Fristverlängerung vom Investor ist am 22. Oktober, also einen Tag nach Bestätigung der Abriss-Anzeige durch die Stadt, eingegangen. Damit, so Siegesmund, hätten sich die Abläufe wiederum verschieben müssen.
Mit welchen Konsequenzen muss der Investor rechnen? Die Stadtverwaltung findet in diesem Punkt deutliche Worte. Es werde aufgearbeitet, ob der Investor es geschafft hat „eine Lücke zwischen zwei Gesetzen (Denkmalschutz und Bauordnung NRW) erfolgreich zu nutzen oder ob und in welcher Form dieser – aus unserer Sicht – ‚Schwarzabbruch’ geahndet wird.“ Die Stadtverwaltung weist auch darauf hin, dass für die Fläche, auf der der Investor Wohnungen plant, zwar ein Bauantrag vorliegt, dieser sei aber noch nicht genehmigt. Und außerdem seien hier „noch viele Fragen offen“, heißt es in der Stellungnahme der Stadt. Wenn man wollte, könnte man das als Signal dafür verstehen, dass der Investor künftig keine einfachen Verhandlungen mit der Stadt vor sich hat. „Mit der Fristverlängerung sind wir dem Investor entgegengekommen. Aber durch das, was jetzt passiert ist, ist für die Zukunft natürlich jeglicher Kompromiss-Spielraum verspielt“, sagt Marko Siegesmund. Dass ein Investor, der noch keine Baugenehmigung hat, sich so gegen die Stadt wende, damit sei nicht zu rechnen gewesen. Bei allen anderen Objekten, die dem Investor gehören, würden derzeit sämtliche Maßnahmen zur Vorsorge getroffen.
Wie geht es jetzt weiter? Auch wenn von der Brause nicht mehr viel übrig ist, wird das Unterschutzstellungsverfahren weiter betrieben. Die seit Dienstag geltende vorläufige Unterschutzstellung gebe der Unteren Denkmalbehörde die Zeit, das bereits eingeleitete Verfahren zur Eintragung des Objekts in die Denkmalliste innerhalb von sechs Monaten abzuschließen.
Welche Schlüsse zieht die Stadt aus dem Fall? Die Konsequenz werde in Zukunft sein, „dass bei Anhörungsfristen keine Verlängerung mehr eingeräumt wird und auch ein sonstiges Entgegenkommen hinsichtlich einer qualifizierten Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist, wenn damit solche brutalen Schnellschüsse verknüpft sind“, erklärt die Stadt. Sowohl die Spitze des Baudezernats als auch die Mitarbeiter von Denkmalschutz und Bauordnung verurteilen das Verhalten des Investors scharf.
Was sagt der Verein? Im Juni waren der Kulturverein „Metzgerei Schnitzel“, das Café Kucheneck und die Autowerkstatt ausgezogen. Der Verein sucht seitdem neue Räume, hatte aber gehofft, dass die alte Tankstelle zumindest als Bauwerk oder aber als Begegnungsstätte dem Stadtteil Friedrichstadt erhalten bleiben würde. „Das Areal hat dem Viertel mit seinen vielen Häuserschluchten schon allein optisch gut getan“, sagt Stefan Pennartz vom Vorstand des Vereins. Das vorschnelle Handeln des Investors finde er hochgradig unmoralisch und verwerflich. Sein Verein suche noch immer neue Räumlichkeiten, die kulturelle Arbeit sei ohne räumliches Zentrum sehr schwer umsetzbar.