Stadt-Teilchen Die Zeit der kreativen Wortspiele bei der Namensgebung scheint vorbei zu sein
Stadt-Teilchen Die Zeit der kreativen Wortspiele bei der Namensgebung scheint vorbei zu sein
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Was Friseure können, können nur Friseure. So stand es früher in den Auslagen der Menschen, die im Bereich „ganz oben“ zu tun hatten. Das war in der Zeit, bevor sie witzig wurden, bevor sie sich in dem Wahn sammelten, dass nur der ein guter Friseur sei, der über seiner Tür ein besonders pfiffiges Wortspiel vorzeigen kann. So etwas wie „Schnittstelle“, „Haarmonie“ oder „Haargenau“. Oft hat mich die Unzulänglichkeit dieser Versuche inspiriert, und ich bin dann in die Läden marschiert und habe meine ganz persönlichen Vorschläge unterbreitet. Die reichten von „Haar Haar said the Clown“ bis hin zu „Über kurz oder lang“.
Nie hörte irgendwer auf mich. Mich trafen mitleidige Blicke, was natürlich auch daran gelegen haben mag, dass die Ladenbesitzer mich mit Blick auf mein nicht eben fülliges Haupthaar sehr rasch aus der Liste der potenziellen Kunden strichen. Ist schließlich unübersehbar, dass Haarpflege bei mir eher in die Abteilung Mangelverwaltung fällt, wenn man mal absieht von dem, was meine Nase und meine Ohren im Überfluss produzieren.
Nun habe ich seit neuestem den Eindruck, dass die Zeit der Wortspieler unter den Friseuren zu Ende geht, was natürlich daran liegen kann, dass die bei ihnen entstehenden Frisuren zu oft den Wortspielen ähneln. Aber das ist nur ein Verdacht meiner gekränkt-haarlosen Seele.
Natürlich gibt es hier und da noch Kammkönner, die sich der Tradition bemächtigen und sich „hairlich“ fühlen, aber die sind dann meistens den Männern vorbehalten und mühen sich, die Tradition der amerikanischen Barbershops hierzulande aufleben zu lassen. Man geht den Herren dort gerne um den Bart.
Nach meinem Eindruck sind aber gerade wieder jene Friseure auf dem Vormarsch, die es ganz einfach halten. Keine Wortspiele in Namen, keine überkandidelte Deko aus dem Marokkoshop, stattdessen das Geschäft gewordene Lob der Schlichtheit.
Diese Erkenntnis kam mir, als ich auf der Aachener Straße vor dem Salon Maria stand. Ich blickte durchs Schaufenster und sah: nichts. Also nicht wirklich nichts, sondern nur das Nötigste. Kein dekorativer Killefit, stattdessen das, was der Kunde braucht, wenn es zum schneidigen Gipfeltreffen kommt. Ein paar Stühle, ein paar Spiegel, ein Kopfwaschbecken, fertig ist die Laube. Ich war begeistert von dieser minimalistischen Eleganz, vom Verzicht auf jegliches Brimborium, von dieser Monochromie.
Ich wollte mehr davon und schwang mich aufs Rad, um nach weiteren Friseuren Ausschau zu halten, die ihr Talent nicht mit untauglichen Marketingmaßnahmen verschleudern. Ich fand schnell einen auf der Germaniastraße, der sogar seinen Namen wegließ. Einfach nur „Friseur“ steht da auf einem Schild. Auf der Bilker Allee stieß ich auf einen winzigen Laden mit knallgelber Markise und der Aufschrift „Coiffeur Pierre“. Keep it simple, stupid, hat mal ein berühmter Amerikaner gesagt, obwohl er Coiffeur Pierre bestimmt nicht kannte. Muss man nur mal aussprechen: Coiffeur Pierre .Wie das rollt auf der Zunge. Da möchte man glatt Haare haben, die es zu pflegen gilt.
Ein paar Häuser weiter lockt auch „Friseur Magdalena“ mit betörender Schlichtheit, obwohl die Tücher und Poster im Fenster ein wenig den Eindruck machen, dass man es hier auch mal mit ein bisschen Opulenz versuchen wollte. Leider vergeblich.
Schaufensterdekoration ist ohnehin nicht das große Plus bei vielen der von mir bevorzugten Salons. Oft sind die Plakate im Schaufenster vergilbt, was aber nicht unbedingt als Nachteil gewertet werden sollte. Der Gilb belegt halt auf seine Weise, dass man sich hier voll und ganz dem Handwerk widmet und keine Zeit hat für neumodischen Krimskrams.
Natürlich stieß ich auch auf traurige Zeugnisse. An der Flurstraße entdeckte ich „Haarmoden Brenner“. Ein ganz einfaches Geschäft, verhangen mit Papier. Ein schlichtes Schreiben in der Tür sagt, dass Frau Brenner sich am 23. Dezember 2016 in den Ruhestand verabschiedet hat und den Kunden für die Treue in den vergangenen 40 Jahren dankt. 40 Jahre! Unwillkürlich stellte ich mir vor, wie es hier in den besten Zeiten gequirlt haben mag, wie die Neuigkeiten aus Flingern hier einen Umschlagplatz fanden, während man wusch, schnitt und ondulierte. Wie viele Geschichten wohl unerzählt bleiben, jetzt, da Frau Brenners Laden geschlossen ist?
Aber es gibt ja auch neue Haarspaltereien. „Kasimir. Der Friseur“ an der Derendorfer Straße wirkt irgendwie neu und hat doch das System der schlichten Eleganz in die Moderne übernommen. Auch hier stand ich vor dem Geschäft und dachte nach über die Geschichten, die drinnen erzählt werden.
Ich wurde ob dieser Recherche ein bisschen melancholisch, weil ich nur mit der Hand über meine Glatze streichen musste, um zu merken, dass ich einer Welt nachforschte, die mir auf ewig verschlossen bleiben wird. Ich setzte mich aufs Fahrrad und fuhr traurig weiter. Mir fiel ein Lied ein aus der deutschen Version des Musicals „Hair“. „Wenn ich das wüßt’, warum mein Haar so ist…“