Die Kö: Ein Laufsteg, den man mit dem Auto entlang fahren kann

Auf dem Luxusboulevard Königsallee gab es einst einen Straßenstrich

Foto: David Young

Ich übe noch. Um ein Gefühl dafür zu kriegen. Es ist eine ähnliche Geste, wie wenn kleine Jungs ihren Bizeps anspannen, um den Spielkameraden zu imponieren. Die „Düsseldorfer Knickhaltung“, die die Macher von Spiegel-TV auf der Kö entdeckt haben wollen. Schon an kleinen Mädchen: Ärmchen angewinkelt, in der Ellenbogenbeuge baumelt ein Täschchen. Bei den Achtjährigen Longchamps, so eine Art teurer Shopping-Beutel, später Louis Vuitton, abgeguckt von Mutti. Dabei wird dann Daddys vorletztes i-Phone umklammert, mit Knopf im Ohr versteht sich. Man muss ja noch ein Händchen frei haben für den Plastik-Kaffeebecher.

Alles kalter Kaffee! Das Thema ist sooo durch. Da ballt sich für den echten Düsseldorfer die Knickhaltung am Ende zur Faust. Dieses ewige Kö-Klischee von der Kö-Tussi mit der strohblonden Zuckerwatte auf’m und im Kopf. Zu allem Überfluss lässt sie das schwäbische Kaufhaus am Kö-Bogen in seinem Inneren auch noch als überlebensgroßes Denkmal aus Pappmache baumeln. Darunter flüstert der Einkaufsberater für Premium-Kundinnen ehrfürchtig neben einem Kleiderständer in die Kamera: „Die Kundin ist 56, hat schon für 9000 Euro eingekauft.“

Eine Einstellung weiter reibt Kosmetik-Experte Frank Schnitzler 500-Euro-Cremes („Davon gibt es leider keine Probe“) auf eine Hand. Wer kauft so was? „Es kommen ja auch viele Russen und Araber.“ Spiegel-TV zeigt (wem eigentlich noch um 0.55 Uhr, wenn alle schlafen, die Kö erst recht), dass es das alles in echt-unecht gibt.

„Das hat nur Düsseldorf: Einen Laufsteg, den man mit dem Auto entlang fahren kann“, formulierte es Marken-Mann Frank Dopheide kürzlich in einem Interview. Ob er dabei vielleicht an die frivole Vergangenheit des teuren Pflasters dachte? Kurz nach dem Krieg, als Kö-West noch der legendäre Laufsteg fürs älteste Gewerbe der Welt war, ein Auto-Puff in der Nachbarschaft des Görres-Gymnasiums. Besorgte Lehrer warnten im Unterricht pubertierende Schüler vor den Straßenarbeiterinnen.

Auf der anderen Straßenseite lockten Nackttanzbars. Tagsüber waren die Schaukästen verhangen. Erst wenn’s dämmerte auf dem Boulevard wurden die erotischen Fotos enthüllt. An der Kreuzung zur Graf-Adolf-Straße endete die Glitzermeile vorläufig an der „Gummi-Ecke“, einem Kunststoff-Geschäft, wo man auch Kondome kaufen konnte.

Zeiten ändern sich. Kö-West auch. Längst gilt Label statt Laster. Dabei waren die Aufgaben rechts und links des Kö-Grabens klar verteilt. Auf der Bankenseite, wird das Geld gebunkert und abgehoben, um es auf der anderen Seite ausgegeben. Dort wo das ABC der Weltmarken aufgereiht ist: Von Armani, Burberry und Cartier über Gucci, Prada, Tiffany bis zu Zegna. Filialitis auf höchstem Niveau, seit Albert Eickhoff, der Doyen unter den Mode-Händlern, als König der Kö abdankte. In seinen Palast zieht demnächst Dior. Karl der große Lagerfeld zieht nach. Und Kö-West, die kapriziöse Seite, erfindet sich wieder mal neu. Donatella Versace wählte den Standort noch vor Hamburg oder Berlin für ihren dritten Flagship-Store in Deutschland. Hermès zäumte gegenüber im Girardet-Haus ein weiteres Zugpferd auf.

Wo einst die Bordstein-Schwalben zwitscherten, locken heute junge männliche Models mit blanker Brust junge Frauen ins Dunkel von „Abercrombie & Fitch“, dem Kult-Label, das es sonst nur noch in London, Paris und Mailand direkt zu kaufen gibt. Mal sehen, was noch kommt. Und geht. Zwischen den Konsum-Tempeln fehlen die amüsanten Beobachtungsposten. Wie Tino einer war, die Piano-Bar, in der die Müßiggänger saßen, die ihr Geld ein, zwei Häuser weiter arbeiten ließen. Ohne solche Unterbrechungen der Konsummeile wird’s leicht langweilig auf dem Boulevard, sieht man mal von den komischen bunten Vögeln in den Bäumen ab.

Doch es gibt eine Ausnahme, schon bald: Einmal im Jahr ist Karneval, auch auf der Königsallee. Am Sonntag vor Rosenmontag, in diesem Jahr der 15. Februar, wird Düsseldorfs Luxus-Boulevard wieder in voller Breite zum Laufsteg der Narren. In echt.