Stadt-Teilchen Weihnachtsmärkte: Dem Budenzauber entkommt keiner

Vorglühen fürs Weihnachtsfest daheim

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Alle Jahre wieder: Leuchtende Kinderaugen, flirtende Feierabendpärchen beim Glühwein. Weihnachten ist ein Markt, ist ein, gleich mehrere Weihnachtsmärkte in Düsseldorf. Gleich mehrere in der City, von nüchtern bis kitschig, einer mit Stadtteilchen-Charakter in Oberkassel, entlang der Nordstraße stört er eher. Und dürfen wir ihn überhaupt noch so nennen, wie er heißt? Berlin-Kreuzberg hat seine Weihnachtsmärkte beispielsweise in Wintermärkte umgetauft.

Wir hatten ja gerade das Martinsfest als leuchtendes Diskussions-Beispiel. Dieser Höhepunkt rheinischen Brauchtums sollte plötzlich nur noch ein Lichterfest sein. Um andere Religionen nicht in Verlegenheit zu bringen, hieß es. Sehr rücksichtsvoll. Wir sind auch nicht alleine damit. Vor eine Kita in Hessen haben sich die lieben Kleinen zu einem Sonne-Mond-und-Sterne-Fest formieren müssen. Aktion Winterlicht für Weihnachtsbeleuchtung klingt kriegerisch. Damit dürften die Solinger messerscharf daneben liegen.

Den Weihnachtsmann lassen wir jetzt mal außen vor. Der ist bekanntermaßen eine Erfindung von Coca Cola. Ein echter Marketing-Mann. Und vom Christkind weiß man auch nicht so richtig, ob damit das Jesuskind gemeint ist oder ein blondes Engelchen, das gefälligst die Geschenke bringt. Gelobt sei Kommerzengel Zalando.

Apropos Engel. Gibt’s die? Oder sollten wir unseren Engelchen-Markt am Stadt-Brückchen nicht besser in Jahresendzeitfiguren-Kabinett umbenennen? Ein geflügeltes Wort aus DDR-Vergangenenheit, so wie Erdmöbel für Sarg. Volksbildung hieß das damals, radikale sprachliche Abkehr von christlichen Bezügen in Richtung atheistischen Marxismus und Leninismus.

Überholt? Von wegen! Düsseldorf Marketing & Tourismus animiert gerade zu einer Ho-Ho-Ho Hopping-Tour, wohl eine Art Ho-Tschi-Minh-Pfad durch den Dschungel der Düsseldorfer Weihnachtsmärkte. Wollen mal milde annehmen, dass es sich um die Schnaps-Idee eines verbeamteten Alt-68-ers handelt. Onkel Ho, den verehrten vietnamesischen Revolutionär und kommunistischen Politiker, hätte es vielleicht amüsiert.

Zu dessen Grabstätte in Hanoi pilgern westliche Touristen wie bei uns die Niederländer zum Düsseldorfer Budenzauber. Friedlicher Überfall zur Freude der Händler, heißt es - obwohl unter der Hand bemängelt wird, dass unsere Nachbarn zwar begeistert die Atmosphäre inhalieren, zum Umsatz aber eher weniger beitragen.

Als Anrheinerin in der zugestellten Innenstadt ist der Weihnachtsmarkt für mich der Höhepunkt des Jahres und schmückendes Beiwerk in meiner ach so abwechslungsreichen heimatlichen Baustellenlandschaft. Ich fühle mich gefangen und gegängelt in dieser Festung aus Lichtern und Lautsprechern, in der scheinbar alle außer mir allfeierabendlich fröhlich flüssige Kopfschmerzen bechern. Solch Vorglühen fürs Weihnachtsfest turnt mich eher ab.

Heidenkinder halten Weihnachten ohnehin für einen Hinweis auf die Geburtsstunde des Sonnengottes Sol. Dessen Anhänger bilden längst ein Heer von Weihnachtsflüchtlingen. Hauptsache möglichst weit weg von der eigenen heiligen Familie. Denke ich auch. Weniger aus Sonnenhunger, eher aus einer Übersättigung vom zuckersüßen Bretterbudenzauber.

Doch schon wenn ich im Flieger sitze, vermisse ich zumindest die so stimmungsvoll beleuchteten Baumwipfel der Kö. Und es nützt ja auch nichts, es gibt kein Entkommen. Auf den Kanaren satteln sie die Kamele für die Heiligen Drei Könige und kleben Wattebällchen auf ihre Fensterscheiben, weil sie sich in der Sonne nach Schnee sehnen.

Also noch weiter weg - im gerade passend eingerichteten Direktflug von Düsseldorf nach Hongkong. Vom Himmel hoch da komm ich her, und was seh’ ich mitten im Wald von Wolkenkratzern: Einen Weihnachtsmarkt, chinesisch streng nach Nürnberger Vorbild mit Lebkuchen und Glühwein. Die weiße Pracht dazu wird aus Kanonen geschossen. Das seh’ ich jetzt einfach mal als schönes Symbol für: Friede auf Erden.