Stadtrundgang stellt verschwundene Orte vor

Da war doch mal was. Emotional ging es bei der Führung am Totensonntag zu. Bei sehr vielen Teilnehmern wurden Erinnerungen wach.

Foto: Sergej Lepke

Pünktlich zum Totensonntag organisierte Alexandra Wehrmann von dem Blog „They call it Klein-Paris“ wieder eine Stadtführung, die sich mit den „toten“ oder „verschwundenen“ Orten in Düsseldorf beschäftigt. Der Gedanke dahinter ist, Orte vorzustellen, denen man nicht ansehen kann, dass sie früher mal etwas Besonderes waren. Auch dieses Mal ging die Führung zu einigen Plätzen, an denen interessante Menschen, die eine Verbindung zum Ort haben interviewt wurden, und Anekdoten erzählten.

Durch das wachsende Aufkommen musste Stadtführer Michael Wenzel schon ein Mikrofon zur Hand nehmen, damit ihn alle Zuschauer hören konnten. Rund 40 Leute folgten ihm, als der Rundgang zunächst hinter einen Zaun mit der Aufschrift „Zugang verboten“ führte. An der Rather Straße, wo sich heute eine riesige Freifläche voller Bauschutt befindet, war nämlich vor einem Jahr noch mit der „Garage Bilk“ einer der ersten Coworking-Places in Deutschland. Markus Lezaun, einer der Gründer der Garage stellte das Konzept dem Publikum vor: „Viele freiberufliche Designer, Autoren oder Programmierer könnten zwar zu Hause arbeiten, wollen aber trotzdem einen Ort haben, zu dem sie zur Arbeit gehen, damit sie einfach mal aus dem Haus kommen.“ Deshalb hat die Garage Bilk einen 2500 m²-großen Bürokomplex gemietet, um ihn an Freelancer weiter zu vermieten. Hier haben Menschen mit unterschiedlichsten Jobs nicht nur nebeneinander gearbeitet, sondern auch berufliche Kontakte geknüpft, oder sich auf „Fuck-Up-Partys“ von ihren größten beruflichen Niederlagen erzählt, damit alle von ihnen lernen könnten.

Die Niederlage der Garage Bilk wurde dadurch eingeläutet, dass die Vermieter den Komplex verkaufen wollten und trotz einem versprochenem Vorkaufsrecht eine andere Firma den Zuschlag erhalten hat, die hier in Zukunft Luxuswohnungen bauen will.

Fast alle Besucher wurden nostalgisch, als die Führung auf der Friedrichstraße am Stern-Verlag entlang ging. Dort hielt der Schriftsteller Sebastian Bröck seinen Abschiedsbrief, den er zur Zeit der Schließung über Facebook verbreitete. Für ihn war das Besondere am Stern-Verlag, dass er als einer der größten Buchhandlungen Europas eine riesige Auswahl hatte, aber trotzdem eine familiäre Stimmung verbreitete.

Einen adäquaten Ersatz hat Sebastian Bröck noch nicht gefunden: „Es fühlt sich immer noch wie fremdgehen an, einen anderen Buchladen zu besuchen.“ Als er die Zeile „Welcher Buchladen hat schon eine Verkäuferin mit pinker Punkfrisur“ vorlas, und jeder wusste, wer gemeint war, wurde klar, wie sehr dieser Buchladen alle Menschen vor Ort mitprägte. Wenzel erzählte außerdem, dass er die Verkäuferin mit den pinken Haaren jeden Morgen auf dem Weg zu ihrer neuen Arbeitsstelle im Supermarkt sieht: „Sie leistet aber weiter Basisarbeit für uns Bibliophile, und hat jeden Morgen ein Buch auf dem Schoß.“

Sollte er sich irgendwann trauen sie anzusprechen, wird sie vielleicht auch mal eine Interviewpartnerin in einem der nächsten Rundgänge zu verschwundenen Plätzen.