Starke Frauen im Museum Ludwig
Das Kölner Kunstmuseum stellt seine vier großen Sonderausstellungen für das kommende Jahr vor.
Köln. Auch im kommenden Jahr gibt es im Museum Ludwig wieder viele Höhepunkte. Zwei davon sind die Übersichtsausstellungen zum Werk von Haegue Yang, die den Wolfgang-Hahn-Preis 2018 erhält, und von Gabriele Münter, eine der zentralen Künstlerfiguren der Gruppe „Der Blaue Reiter“. Erstmals zu sehen ist in einer Sonderausstellung die Schenkung Bartenbach mit 200 Werken deutscher und amerikanischer Fotografen.
Einer der beeindruckendsten Dokumentarfilme der deutschen Fernsehgeschichte schlummerte Jahrzehnte im Archiv des WDR: Günter Peter Strascheks Filmemigration aus Nazideutschland von 1975. Jetzt rückt er ins Zentrum einer Ausstellung, die Strascheks Schaffen im Kontext der revolutionären Filmarbeit der 60er und 70er Jahre vorstellt. Straschek (1942—2009) ist einer der bedeutendsten Erforscher des europäischen Filmexils. Viele der über zweitausend vor den Nazis geflohenen Filmleute kommen in dem fünfstündigen Film zu Wort.
Die erste Ausstellung des Jahres vom 3. März bis zum 1. Juli in der Reihe „Hier und jetzt“ erinnert an Straschek als einen Unversöhnlichen, dessen beharrlicher Blick die verleugnete Vergangenheit auf die Tagesordnung setzte. Geschult hat er diesen Blick auch im Kino, etwa am kompromisslosen Werk der Filmemacher Jean-Marie Straub und Danièle Huillet, in deren Film Einleitung zu Arnold Schoenbergs ,Begleitmusik zu einer Lichtspielscene‘ Straschek auftritt.
Von 1966 an studierte er an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb). 1968 flog er im Zuge der Auseinandersetzung um seinen Film Ein Western für den SDS von der Akademie. Die dffb-„Wochenschau“, die die Vorgänge dokumentiert, ist in der Ausstellung ebenso zu sehen wie Strascheks Film Zum Begriff des ‚kritischen Kommunismus‘ bei Antonio Labriola (1970).
2018 richtet das Museum Ludwig der Wolfgang-Hahn-Preisträgerin Haegue Yang (geb. 1971 in Seoul, lebt in Berlin und Seoul) vom 18. April bis zum 12. August die weltweit erste große Überblicksausstellung aus. Über 120 Arbeiten aus den Jahren 1994 bis heute beleuchten auf 1500 Quadratmetern Ausstellungsfläche die Vielfalt ihres Schaffens: von den frühen, an Fluxus erinnernden Objekten der 90er Jahre über Lackbilder, Fotografien, Papier- und Videoarbeiten, Skulpturen und performative Werke bis hin zu raumgreifenden Installationen.
Mit ihrem Werk bewegt sich Haegue Yang souverän zwischen unterschiedlichen Kulturen und Zeiten. Ein offener und grenzüberschreitender Prozess prägt maßgeblich ihre künstlerische Denkweise und Praxis. Hieraus entstehen konzeptorientierte, dabei atmosphärisch verdichtete Installationen, in denen eine Vielfalt von Medien zum Einsatz kommt. Industriell produzierte „Readymades“ wie Jalousien, Glühbirnen, Scheinwerfer, bunte Kabel, Ventilatoren kombiniert Yang mit Dingen aus unterschiedlichen Kontexten oder in aufwendiger Handarbeit produzierten Objekten.
Als roter Faden ziehen sich Fragen der kulturellen Identität durch Haegue Yangs Werk. Statt abendländischer Vorstellungen von Exotismus suggeriert sie eine vielfältige Wahrnehmung der Welt und findet immer wieder neue Ausdrucksformen, die es ihr erlauben, interkulturelle Beziehungen nachzuzeichnen. Die Szenografie und räumliche Anordnung der Arbeiten verleiht der Überblicksausstellung den Charakter eines Gesamtkunstwerks — in sich stimmig, aber voller Dissonanzen.
Diane Arbus, Boris Becker, Karl Blossfeldt, Walter Evans, Lee Friedlander, Candifda Höfer, Gabriele und Helmut Nothhelfer, Tata Rosenstolz, Albert Renger-Patzsch, August Sander, Hugo und Karl Hugo Schmölz, Garry Winogrand und Piet Zwart - all diese Fotografen eint ein dokumentarisch-künstlerischer Ansatz, der mit der Ausstellung „Doing the Document“ vom 31. August bis zum 6. Januar 2019 vorgestellt und zugleich befragt wird.
Walker Evans bezeichnete seine Fotografien nicht als dokumentarisch, sondern sprach von einem „dokumentarischen Stil“. Wo endet das Dokument und wo beginnt die künstlerische Geste? Dies ist eine Frage, die in postfaktischen Zeiten und der zunehmenden Ästhetisierung von Archiv- und Dokumentationsmaterial in der zeitgenössischen Kunst wieder neu zu verhandeln ist. Zu verdanken ist diese Ausstellung einer Schenkung von über 200 Werken deutscher und amerikanischer Fotografen durch die Kölner Familie Bartenbach, die unsere Sammlung kürzlich substanziell erweitert hat.
Ergänzend zu den reichen Bildkonvoluten vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart beinhaltet die Sammlung Bartenbach auch Quellenmaterial, das im Zuge der Ausstellung erstmals wissenschaftlich erschlossen wird.
Gabriele Münter (1877 - 1962) war eine zentrale Künstlerfigur des deutschen Expressionismus und der Künstlergruppe Der Blaue Reiter, deren Gründung in Münters Haus in Murnau stattfand. Über ihre Rolle als engagierte Persönlichkeit, Vermittlerin und langjährige Lebensgefährtin Wassily Kandinskys hinaus zeigt die Ausstellung „Malen ohne Umschweife“ vom 15. September bis zum 13. Januar 2019 erstmals, wie wichtig und eigenständig Gabriele Münter als Malerin war: Mit über hundert Gemälden, darunter erstmals der Öffentlichkeit präsentierte Werke aus dem Nachlass, erlaubt sie einen neuen Blick auf diese starke Künstlerin.
Münter gehört zu den wenigen frühen erfolgreichen Frauen der Moderne. Ihre Offenheit und Experimentierfreudigkeit als Malerin, Fotografin und Grafikerin wird nun erstmals ausführlich präsentiert. Zu ihren bekannten Gemälden gehören Porträts, etwa von Marianne Werefkin oder Kandinsky sowie romantische Landschaften ihrer bayerischen Wahlheimat. Mit seltenen Fotografien, die Münter um 1900 bei einer mehrjährigen USA-Reise aufgenommen hat, beginnt die Ausstellung; im Mittelpunkt steht ihr malerisches OEuvre, das neben farbig intensiven Porträts und Landschaften auch Interieurs, Abstraktion oder „primitivistische Bilder“ umfasst.
Der Expressionismus ist insbesondere durch die Sammlung Haubrich im Museum Ludwig stark vertreten: Es besitzt Gemälde von Ernst-Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Max Pechstein, von Künstlern des Blauen Reiter wie Franz Marc, August Macke und Alexej Jawlensky. Ein Bild von Gabriele Münter fehlt erstaunlicherweise. Im Rahmen der Ausstellung soll diese Leerstelle geschlossen und ein Gemälde erworben werden.