Start-up—Woche: Kalkulieren für Kreative
Wie viel kann ich für eine kreative Leistung verlangen? Die Unternehmensberaterin Bianca Seidel rechnet es vor.
An Ideen und Kreativität mangelt es den Leuten nicht, die zu Bianca Seidel kommen. „Das Problem ist meist die Kalkulation der Honorare“, sagte die Düsseldorfer Unternehmensberaterin für Designer, die für einen Vortrag Gast bei der Start-up-Woche war. Sie selbst hatte 14 Jahre lang ein eigenes Mode-Label. Dabei habe auch sie einige Fehler gemacht und somit in der „Schule des Lebens“ gelernt, wie man richtig kalkuliert. Heute lassen sich Freiberufler und Unternehmer von ihr beraten.
Ein Kussmund veranschaulicht Seidels Merksatz: „Keep it super simple“, kurz: Kiss. So einfach wie möglich solle man bei der Angebotserstellung vorgehen. Statt ewig lang an Verträgen mit Faktoren wie Nutzungsarten und Nutzungsgebieten zu feilen, formuliere man besser eine Pauschale. „Dann kann man die Aufträge schnell abarbeiten, die Rechnung stellen und zack, nächster Auftrag.“ Doch wie errechnet man sich seinen Tagessatz? Alles beginnt laut Seidel mit der Ausgabenplanung. Die sehe bei jedem anders aus, deshalb gebe es keine allgemeingültige Formel. Wer auf dem Land wohnt, zahlt weniger Miete als in der Stadt. Wer bereits 20 Jahre fest angestellt war, hat andere Ansprüche als jemand, der gerade mit dem Studium fertig geworden ist. Und wer ein Mode-Label ins Leben ruft, hat höhere Investitionen und eine längere Gründungsphase als Freiberufler, die Dienstleistungen anbieten.
Darüber hinaus müsse jeder für sich klären: Was brauche ich zum Leben, damit ich kreativ bleibe? Das kann bei dem einen ein finanzielles Polster sein, um ruhig schlafen zu können. Bei anderen ist es vielleicht ab und zu eine Reise zur Inspiration. An dieser Stelle ruft sie eine Excel-Tabelle auf, die das Institut für Freie Berufe bereitstellt. Ein Raunen geht durchs Publikum, doch Seidel schiebt sich die Brille ins Haar und geht geduldig auf jede einzelne Zeile ein. Zu den Fixkosten gehören Miete, Auto, aber auch Beiträge für Verbände oder Leasingraten für Software-Programme. Variable Kosten können durch Fachliteratur entstehen oder Reisen Besonders bei den privaten Ausgaben lohne es sich, einmal detailliert Buch zu führen und zu schauen, wie viel Geld man wirklich für Essen, Kleidung, Haustiere, Hobby oder die Altersvorsorge ausgibt.
Während der Sprechpausen hört man nur den Beamer rauschen. Die angehenden Designer und Interessierten im Schulhaus gehen mit den Augen die Tabellenzeilen durch. Was bisher noch ein wenig abstrakt war, wird klarer, als die Beraterin eine ausgefüllte Tabelle hervorholt. Das seien die Zahlen von einer Freiberuflerin, mit der sie gearbeitet habe. Ist überall etwas eingetragen, steht ganz am Ende eine fette, rote Zahl. Im gewählten Beispiel sind es 60 000 Euro. „Das ist der Umsatz, den wir in einem Jahr reinholen wollen, das ist unsere Basis.“
Die einzige Konstante, die für alle und immer gelte: Das Jahr hat 365 Tage. Da das jedoch noch nichts mit der Anzahl der Arbeitstage zu tun hat, erscheint auf der nächsten Folie wieder eine Rechnung: 365 Tage minus Wochenenden, Krankheit, Fortbildung, Akquise und Telefonate mit dem Steuerberater sind gleich - wenn die Geschäfte gut laufen - 130 Arbeitstage, die man abrechnen kann. Diese Rechnung sei so wichtig, damit man eben nicht jahrelang jedes Wochenende durcharbeitet, 12-Stunden-Tage hat oder sich den Urlaub streichen muss. Will man in diesen 130 Tagen nun die 60 000 Euro aus dem Beispiel verdienen, ist folglich ein Tagessatz von 460 Euro das Minimum. Auf die Stunde gerechnet: 58 Euro.
Eine solch konkrete Ausgabenplanung verschaffe letztlich Klarheit. So gehe man viel selbstbewusster in ein Honorargespräch und verhandle auf Augenhöhe.