Theater zwischen Lust und Frust

„Düsseldorf First“ heißt die aktuelle Produktion, in der es um die Demokratie geht. Auf der Bühne stehen auch Politiker. Die Zuschauer dürfen mitabstimmen.

Foto: M. Gstettenbauer

Politisch engagieren wollte sich eine Düsseldorferin und beschloss, in eine Partei einzutreten. Das erste Gespräch verlief jedoch unglücklich, sie fühlte sich nicht willkommen und meldete sich bei einer anderen Partei. Zwei Termine kamen zustande, wieder wurde nichts daraus, und sie entschied, sich künftig anderweitig für die Demokratie einzubringen. Ein Weg führte jetzt zur Bürgerbühne des Schauspielhauses, wo Miriam Tscholl das Stück „Düseldorf First“ einstudiert, das am 27. Januar Premiere feiert und dessen Mitwirkende politisch aktiv, interessiert oder desillusioniert sind. Auch vier Mitgliedern des Düsseldorfer Stadtrats werden kleinere Auftritte gewährt. Die Handlung des Ganzen — eine Stadtratssitzung inklusive Diskussionen und Störungen von überraschender Seite.

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Michael Swoboda, Darsteller

Foto: B. Schmidt

Miriam Tscholl ist als Gastregisseurin in Düsseldorf, sie leitet die Bürgerbühne in Dresden, wo sie mit Wilfried Schulz zusammenarbeitete, bevor dieser als Intendant nach Düsseldorf kam. Das erklärte Ziel der Bürgerbühne ist es, „Menschen aller Altersstufen und Nationalitäten einzuladen, sich auf vielfältige Weise einzubringen, das Theaterspielen auszuprobieren und eigene Geschichten zu erzählen“. Jetzt dürfen mal die Politiker ran.

Foto: Grüne D’dorf

„Die Haltung zur Politik bewegt sich zwischen Lust und Frust“, sagt Tscholl, die es — mit Blick auf Dresden, wo die Zahl politisch Entmutigter und Mutierter enorm ist — spannend findet, die Szene einer anderen Stadt zu erkunden. „Ich glaube, es ist nicht gut, ein solches Projekt in der Stadt zu realisieren, in der man lebt. Da kommt einem die Voreingenommenheit in die Quere. Besser ist es, naive Fragen zu stellen.“ Zum Beispiel, warum politische Parteien es potenziellen Neumitgliedern schwer machen? Wie der Alltag eines Bezirksvertreters aussieht, und was eigentlich die Kunst in der Politik bewegen kann?

Foto: Sebastian Hoppe

60 Menschen wollten zum Ensemble gehören. Darunter viele junge Menschen, die vielfach keinen Schimmer vom Funktionieren der Politik hatten. Elf Darsteller sind es schließlich geworden, davon sind sieben in Ortsvereinen, Bezirksvertretungen oder eben als Ratsmitglied tätig. Ein junger Mann, der politisch eher Frust schiebt ist, wirkt ebenso mit wie ein Anarchosyndikalist, der das politische System der BRD ablehnt und beim Thema Wohnen Enteignungen fordert. „Das ist radikal, ja“, sagt Tscholl, „aber warum soll man ein solches Spektrum als Denkmodell nicht aufmachen.“

Foto: Thomas Rabsch

Das Wohnthema, das mit Verkehr, Kanadagänsen und anderen auf der Tagesordnung der fingierten Ratssitzung steht, ist aus Tscholls Sicht eine Düsseldorfer Spezialität und auch auf der Bühne verknüpft mit der Frage, wie viel Geld im Sinne von potenten Einwohnern einer Stadt guttut. „Eine der Darstellerinnen gibt die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aus und sagt, dass Freunde deswegen in andere Städte gezogen sind“, berichtet Tscholl. „Das treibt die Menschen um.“

Die Zuschauer werden in den Entscheidungsprozess der Ratsmitglieder aktiv eingebunden. Sie können über ein Vote-System im Saal über 50 Punkte der Tagesordnung mitabstimmen. Etwa den Sinn und Unsinn von Volksentscheiden, das Theaterspiel und die Kanadagänse. „Politik und Theater haben eine Schnittmenge“, sagt Tscholl. Und die nutzt sie.

Termine: Premiere von „Düsseldorf First“ am Samstag, 27. Januar,20 Uhr, Central, Worringer Straße 140, am Hauptbahnhof. 29.1., 5.2., 17.2., 5.3., jew. 20 Uhr. Tel. 36 99 11.

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