Herr Siegesmund, wir müssen leider wie in jedem Jahr über den immer noch nicht begonnenen Umbau auf der Friedrichstraße sprechen.
Interview Umweltspur: Ein Appell an die Solidarität mit den Anwohnern der Corneliusstraße
Düsseldorf · Interview Bezirksbürgermeister Marko Siegesmund nennt die Umbau-Verzögerung auf der Friedrichstraße „unbefriedigend“ und das ist nicht die einzige Kritik an der Verwaltung. Aber auch auf einen Investor ist er gar nicht gut zu sprechen.
Marko Siegesmund ist 43 alt und Düsseldorfer Bezirksbürgermeister für den einwohnerstärksten Bezirk 3 mit den Stadtteile Friedrichstadt, Unterbilk, Hafen, Hamm, Volmerswerth, Bilk, Oberbilk und Flehe. Der SPD-Politiker hat in den Tagen vor Weihnachten viele Termine, sein Handy klingelt permanent. Siegesmund will die Dinge voranbringen. Deshalb verzichtet er auch schon mal darauf, dass seine SPD-Fraktion im Stadtteilparlament eine Anfrage stellt. Warum wochenlang auf die Antwort der Verwaltung warten, wenn es kürzere Wege gibt? Die WZ sprach mit ihm über Themen, die die Bürger und den Bezirksbürgermeister bewegen.
Siegesmund: Die Bezirksvertretung kämpft immer wieder dafür, den Umbau zwischen Fürstenwall und Graf-Adolf-Platz zu beginnen. Gerade haben wir beim Rat die Bereitstellung von einer Million Euro für ein Baustellenmanagement beantragt. Damit die Bürger, der Handel, Gewerbe und Gastronomie beteiligt werden. Für alle wäre das ein Zeichen, dass nunmehr bald vier Jahre nach Aufnahme des U-Bahn-Betriebes ein Fortschritt sichtbar wird.
Aber wird denn 2020 ein Fortschritt sichtbar sein?
Siegesmund: Ich rechne damit, dass wir 2020 den Aufstellungs- und Finanzierungsbeschluss für den Umbau bekommen. Die Verwaltung ist aber mit Zeitangaben vorsichtig, da vorab noch die Kabelverlegungen erfolgen müssen, bevor es oberirdisch losgeht.
Das heißt es passiert immer noch nicht viel?
Siegesmund: Ich weiß, das ist unbefriedigend. Schließlich ist die Friedrichstraße eine Zufahrt zur Innenstadt, ja quasi gehört sie zur Innenstadt. Aber es tut sich auch Positives.
Was sehen Sie da?
Siegesmund: „Fürst & Friedrich“, das Bürohaus an der Ecke Friedrichstraße/Fürstenwall ist fast fertig bezogen. Sobald dort die Gastronomie im Erdgeschoss einzieht, wird das Impulse setzen. Und eine Ecke weiter ziehen in den Herzog-Terrassen ebenfalls neue Mieter auf 20 000 Büro-Quadratmetern ein. Insgesamt spreche ich von 2500 neuen Arbeitsplätzen. Ich bin sicher, dass diese Mitarbeiter auch Geld in den Geschäften der Friedrichstraße ausgeben.
Ebenfalls seit Jahren fordert das Stadtteilparlament in fraktionsübergreifenden Anträgen eine neue Verkehrsführung und bessere Aufenthaltsqualität rund um die Bilker Kirche. Geht’s da voran?
Siegesmund: Vor Jahren wurden der Bezirksvertretung drei Varianten vorgestellt. Nur: Die sind alle überholt, weil die Radverkehrsführung nicht berücksichtigt worden war. Für das laufende Jahr gab es Planungsmittel in Höhe von 100 000 Euro. Leider hat die Planung nicht stattgefunden.
Dabei leben dort viele Menschen, das Leben pulsiert an den beiden Einkaufsstraßen Bilker Allee und Lorettostraße.
Siegesmund: Ja, deshalb halte ich den Umbau rund um die Kirche für enorm wichtig. Für die Radfahrer, aber auch Bahnkunden, denn die Haltestellen sind nicht barrierefrei.
Dass es weder an der Friedrichstraße noch an der Bilker Allee voran geht, liegt das an einer überforderten Fachverwaltung für die großen Bereiche Verkehr und Planung?
Siegesmund: Erst mal denke ich war es zunächst eine kluge Entscheidung, die beiden Dezernate in eine Hand zu geben. Frau Zuschke hat sehr gut gearbeitet und es geschafft, Planung und Verkehr gleichzeitig zu denken. Aber in der wachsenden Stadt war diese Aufgabe nicht zu bewältigen. Deshalb ist es gut, wenn die beiden Dezernate nun auf zwei starke Schultern verteilt werden. Es kamen ja auch noch Themen wie die Umweltspur dazu. Kleinere Sachen blieben liegen.
Ein Beispiel?
Siegesmund: Wir wollten auf der Kirchfeldstraße auf einem kleinen Stück eine Einbahnstraßenregelung. Das ist noch nicht passiert.
Sie haben eben bereits das große Thema Umweltspuren angesprochen. Das betrifft Ihren Bezirk in besonderem Maße. Wie erleben Sie die Diskussion?
Siegesmund: Das ist mein Liebelingsthema aktuell. Nein, ernsthaft. Ich rede wirklich jeden Tag darüber, werde auch im privaten Bereich oft darauf angesprochen.
Ich nehme an, es erreichen Sie mehr Beschwerden als Lobeshymnen.
Siegesmund: Das ist doch bei den meisten Themen so. Wer zufrieden ist, meldet sich nicht. Aber wer sich beschwert, dem sage ich, dass der Schritt unausweichlich war, um das Dieselfahrverbot abzuwenden. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass eine Stärkung des ÖPNV oder der Ausbau der Park- und Ride-Plätze vorgeschaltet worden wäre. Auch die Einführung der dritten Umweltspur im November war vom Zeitpunkt nicht optimal. Aber es musste gehandelt werden.
Woher kommt die Kritik?
Siegesmund: Nun, die Pendler sind in der Phase des Ausprobierens von Ausweichrouten. Ich höre das aus Oberbilk. Es gibt mehr Verkehr auf der Siegburger Straße, der Oberbilker Allee, der Kölner Straße. Aber dort bleibt man unter den Grenzwerten. Und in meinen Gesprächen bitte ich um Solidarität für die Anwohner der stark belasteten Corneliusstraße und Merowingerstraße.
Was sagen Sie den Kritikern noch?
Siegesmund: Ich glaube immer noch, dass sie nicht alles ausprobiert haben. Fahrgemeinschaften, mal ein Stück mit dem Rad fahren, mit der Rheinbahn. Für mich ist die Verkehrswende alternativlos.
Neben dem Verkehrsthema hatten Sie in den vergangenen Monaten auch mit zwei umstrittenen Bauprojekten ein und desselben Investors viel Arbeit. Fangen wir bei der „Brause“ an.
Siegesmund: Als ich von dem plötzlichen Abriss auf der Bilker Allee hörte, bin ich sofort zu der Mahnwache gefahren, habe mir ein eigenes Bild gemacht und mit vielen Menschen gesprochen. Danach ging es rund.
Was heißt das?
Siegesmund: Ich habe mit der Verwaltung und mit Politikern gesprochen, wollte die Fakten klar haben. Bis heute liegt mir zwar keine klare rechtliche Bewertung wegen der geänderten Landesbauordnung vor. Aber ich werte das Verhalten des Investors als unmoralisch.
Er wusste, dass der Antrag auf Denkmalschutz gestellt war. Normalerweise reißt auch niemand irgendwo ab, ohne eine Baugenehmigung zu haben.
Welche Konsequenzen ziehen Sie?
Siegesmund: Zurzeit gibt es kein Vertrauen zwischen der Politik und dem Investor. Wenn wir wieder an einen Tisch kommen, müssen wir auch über eine kulturelle Nutzung auf dem Grundstück der „Brause“ reden und über geförderten Wohnraum.
Und wie sieht es beim Kronenhaus aus, wo für den Erhalt der prägenden Fassade ebenfalls demonstriert wurde?
Siegesmund: Wir haben ja aus der Erfahrung mit dem Investor gelernt. Das Kronenhaus in Unterbilk ist auch vorläufig unter Schutz gestellt. Hier warten wir auf das Gutachten der Denkmalschützer.
Prägende Bauten sind auch die des ehemaligen Albrecht-Dürer-Kollegs am Fürstenwall und des Leo-Statz-Berufskollegs am Friedensplätzchen. Bleiben diese dem Stadtbild erhalten?
Siegesmund: Hier konnte sich die Bezirksvertretung durchsetzen. Ich bin ja generell kein Freund davon, städtische Gebäude zu verkaufen. Beim Standort Fürstenwall konnten wir uns durchsetzen.
Dort ist ja übergangsweise die Lore-Lorenz-Schule untergebracht. Danach wird am Fürstenwall für das Leo-Statz-Berufskolleg umgebaut. Das ist möglich, weil es anders als das Albrecht-Dürer-Kolleg eine kaufmännische Schule ist, die keine technischen Räume braucht. Das Schulgebäude am Friedensplätzchen gilt als Schmuckstück. Hier sollen dann in unserer Idealvorstellung ein Ersatzstandort für Schulen eingerichtet werden, die umgebaut werden.
Herr Siegesmund, nun kommt das Wahlkampfjahr. Sie kooperieren mit der CDU, arbeiten konstruktiv mit allen Fraktionen im Bezirk. Bleibt das so?
Siegesmund: Ich lebe das Amt des Bezirksbürgermeisters so unparteiisch wie das eben gehen kann, für alle Bürger. Natürlich kommt irgendwann der Wahlkampf im neuen Jahr. Ich werde dabei für den Stadtrat kandidieren, meine Partei hat mich für Friedrichstadt nominiert.
Und ich kandidiere in Oberbilk für die Bezirksvertretung. Ich würde mir aber wünschen, dass wir in der Bezirksvertretung unsere kooperative Arbeitsweise fortführen. Denn gemeinsam sind wir stärker. Auf Bundesebene habe ich mich zwar zwei Mal gegen die Fortführung der Großen Koalition ausgesprochen.
Doch Bundes- und Kommunalpolitik sind komplett unterschiedlich. Deshalb liebe ich es so, Kommunalpolitik zu machen.