Vergebliches Spiel gegen das Altern
Im Central wirkt „Nach der Probe“, nach dem gleichnamigen Film von Ingmar Bergmann, wie aus der Zeit gefallen.
Vom aktuellen Skandal um Harvey Weinstein konnte Regisseur Bernhard Mikeska nichts ahnen, als er mit seiner Düsseldorfer Inszenierung von „Nach der Probe“ begann. Doch die sexuelle Belästigung, der Missbrauch von Abhängigkeiten und das Schweigen und Leiden von Schauspielerinnen ist in diesen Tagen so gegenwärtig, dass man nicht unvoreingenommen auf den vorgeführten alternden Regisseur, seine gebrochene und als Geist wiederkehrende Geliebte von einst und deren Tochter, eine ehrgeizige Nachwuchsdarstellerin, blicken kann.
Ingmar Bergmanns Film von 1983 liefert die Vorlage für dieses Dreiecks-Kammerspiel im Central, das unter dem Eindruck übergriffiger Männer im Filmbusiness auf der Bühne wie aus der Zeit gefallen scheint und einen nach 90 Minuten unberührt wieder entlässt.
Das Spiel im Spiel: Theaterregisseur Henrik Vogler (Andreas Grothgar) hat den Höhepunkt seiner Karriere hinter sich. Zum fünften Mal inszeniert er Strindbergs „Traumspiel“ und die Anfängerin Anna (Anna Platen) will mit ihrer Rolle als Agnes den Durchbruch schaffen. Nach der Probe treffen sich die beiden auf der Bühne, Vogler sitzt im Zuschauerraum, der sich dem Publikum gegenüber an der Hinterwand mit Stuhlreihen erhebt. Er ist sentimental. Seine Gedanken bewegen sich in die Vergangenheit. Das Licht eines Filmprojektors flackert, der schon fast vergessene Sound rotierender Spulen begleitet ins Gestern.
Mit Anna ändert sich die Szene, er gewinnt Kraft und erklärt ihr das gemeinsame Spiel. Dabei kommt er ihr nah, führt sie und fordert sie. Je überzeugender er als Regisseur darin sei, an sie zu glauben, desto mehr blühe sie auf und erreiche mit ihrer Phantasie das Publikum. Das Wunder Theater. Doch dann erscheint Rakel (Karin Pfammatter) aus dem Jenseits und nimmt Annas Platz ein. Die Junge verschwindet. Sie werden ausgetauscht. Mit Rakel ist die Magie des Moments verflogen.
„Du bist ein Arschloch“, schreit sie ihm entgegen und möchte sich ihm zugleich hingeben. In Unterwäsche schmeißt sie sich an ihn ran. Vogler will nicht, flüchtet von einer Ecke in die andere. Das Gestern zerrt an ihm, das Heute ist nicht greifbar.
Tragikomisch gelingt Pfammatter diese untote Diva, die über modrigen Mundgeruch jammert, ihren Rotweinkonsum strauchelnd kleinredet und schluchzend Gott anfleht. Vogler, der ja zu Lebzeiten die Rolle ihres Allmächtigen einnahm, soll sagen, ob sie jemals wieder groß spielen werde. Er windet sich, ist nicht mehr zuständig. Das Wunder Theater hat diese Frau deformiert.
Wie Karin Pfammatter das mit Sinn fürs Schräge vorführt, gehört zu den Stärken der Inszenierung. Nur leider verbringt die Schauspielerin die meiste Zeit auf einem Stuhl im Hintergrund und beobachtet den alten Regisseur und die junge Frau, wie sie sich in das bekannte Muster verstricken: Begeisterung, Verliebtheit, Verführung, Affäre, Krise, Premiere, Trennung.
Das ist ebenso wenig neu, wie das Wissen um Weinsteins selbstherrliches und frauenverachtendes Verhalten. Wer das ändern möchte, dem helfen solche Sentimentalitäten wie in „Nach der Probe“ nicht weiter.