Flughafen „Der schönste Job am ganzen Flughafen“
Düsseldorf · Michael Henning ist Vogelschlagbeauftragter am Flughafen. Er sorgt dafür, dass sich Vögel und Flugzeuge nicht in die Quere kommen.
Michael Henning steht im knöchelhohen Gras. Man hört lautes Rauschen und Düsen. Gerade ist ein Flugzeug gelandet. Vielleicht bringt es gerade irgendwen nach dem Malediven-Urlaub wieder auf sicheren Boden. Es geht ein kühler Wind. Doch dafür ist Henning gewappnet. Seine Anzüge hängen mittlerweile irgendwo auf der anderen Seite des Rollfelds. Wo sein Schreibtisch jetzt steht, braucht er die eher selten. Da muss es eher festes Schuhwerk, eine warme Jacke, eine praktische Hose und der braune Hut sein. Ein Fernglas, oft auch ein Gewehr.
Um Michael Hennings Arbeitsplatz zu erreichen, braucht man jemanden, der sich am Flughafen gut auskennt. Und jemanden, der mit dem Auto in den Sicherheitsbereich fahren darf. Denn das Büro des Vogelschlagbeauftragten und Jagdaufsehers liegt am anderen Ende des Rollfelds. Von den Scheiben am Flughafen, von denen aus man die Flugzeuge bei Start und Landung beobachten kann, kann man die grauen Häuschen erahnen.
In einem davon steht der Schreibtisch von Michael Henning und seiner Kollegin Stefanie Mylenbusch. An den großen Fenstern steht ein Fernglas bereit. Die Hunde Leo und Peaches liegen auf ihren Decken herum, wachen bei Besuch auf und fordern Streicheleinheiten. Der dritte, Elli, ist draußen im Hundegehege bei Matze. Auf dem Regal tauen für den Wüstenbussard ein paar Hühnerküken zum Mittagessen auf. An den Wänden hängen Vogelposter, im Regal steht Fachliteratur. Auf dem Tisch liegt viel Papierkram.
Vogelschlag, das bedeutet, dass ein Vogel mit einem Flugzeug zusammenstößt. Das zu vermeiden ist die Aufgabe der Vogelschlagbeauftragten. Denn wenn das passiert, kann das einen großen finanziellen Schaden bedeuten. Ein Triebwerk, weiß Henning, kostet knapp 20 Millionen Euro. Noch schlimmer aber: Ein heftiger Vogelschlag kann Start oder Landung stören – und so auch für die Passagiere gefährlich werden. Etwa 30 bis 100 Fälle gibt es pro Jahr. Gezählt werden aber nicht nur die, bei denen etwas schlimmes passiert, sondern auch die Beinah-Kollisionen. Also immer, wenn ein Vogel einem Flugzeug zu nahe kommt.
„Wir versuchen es den Vögeln hier möglichst ungemütlich zu machen“, sagt Henning. „Biotopmanagement“ nennt man das in Fachsprache. Die 340 Hektar Grünland, die das Rollfeld umgeben, werden nur selten gemäht, Beerensträucher werden entfernt. So finden Vögel wenig Nahrung, hohes Gras ist für sie wenig verlockend, weil sie ihre Fressfeinde schlecht erkennen können. Sie halten sich deshalb lieber fern.
Problematisch werden Vögel für Flugzeuge etwa ab 80 Gramm Körpergewicht. „Alles darunter lässt sich mit einem Taschentuch klären“, sagt Henning mit Augenzwinkern. Soll heißen: Ein Flugzeug nimmt keinen Schaden – nur das Vögelchen. 80 Gramm hat etwa ein Star. Zum Vergleich: Eine Ringeltaube, wie man sie aus den Innenstädten kennt, wiegt schon etwa 500 Gramm.
Drei Mal pro Woche gehen Henning und seine Kollegin Mylenbusch mindestens über das Gelände, sehen sich alles genau an, dokumentieren, wie die Lage ist. Gibt es etwa größere Wasseransammlungen, die Gänse oder Enten anlocken könnten? Oder hat sich irgendwo ein Vogel eingerichtet, wo er nicht sein sollte? Einmal im Monat sind auch die umliegenden Flächen und Seen dran. Denn es ist auch interessant, wie sich die Vogelpopulationen hier entwickeln. Doch nicht nur Henning und Mylenbusch haben ein Auge auf die Vögel am Flughafen. Auch die Einweiser melden sich, wenn ihnen etwas auffällt, zum Tower besteht eine direkte Verbindung - falls Vögel gesichtet werden.
Das Abschießen eines Vogels als „letzte Reißleine“
Wenn das der Fall ist, rücken die Beauftragten an. Zur „Vergrämung“, wie der Experte sagt. Erstmal wird einer der Hunde geschickt. Wenn Leo, Elli oder Peaches auf eine Ansammlung von Vögeln zujagen, bekommen die Angst und fliegen vielleicht davon. Auch Wüstenbussard Matze ist zum Verjagen da. Ansonsten muss die Schreckschusspistole – pyroakustische Munition – ran. Und im schlimmsten Fall das Gewehr. „Es geht hier um die Sicherheit“, sagt Henning. Das Abschießen eines Vogels sei aber nur die letzte Reißleine.
Eigentlich ist Michael Henning Rechtsanwalt, arbeitete vorher 16 Jahre in der Personalabteilung. Bei den Anträgen auf Altersteilzeit seiner Vorgänger ist der Hobbyjäger auf diesen Job aufmerksam geworden. Doch dass er Jurist ist, nützt ihm nun auch in seinem jetzigen Beruf. Es müssen Genehmigungen beantragt werden, etwa um auch umliegende Flächen betreten zu dürfen oder um bestimmte Vögel im Notfall auch während der Schonzeit schießen zu dürfen. Auch, dass die Einweiser eine Schreckschusspistole bei sich tragen und selbst Vögel verjagen dürfen, muss erst beantragt und erlaubt werden. Manchmal habe er ganz schön viel Papierkram zu machen, sagt Henning. „Aber wenn es mir zu viel wird, gehe ich einfach eine Runde mit den Hunden.“ Dass das in anderen Positionen möglich ist, bezweifelt er. „Ich glaube schon, dass das hier der schönste Job am ganzen Flughafen ist.“