Kürzlich sah ich „Der goldene Handschuh“ in einem Düsseldorfer Kino und das Publikum hat sich mehr amüsiert als über die Darstellung auf der Leinwand schockiert zu sein.
Interview Warum der neue Fatih-Akin-Film für zwei Düsseldorfer Kino-Kenner nicht funktioniert
Düsseldorf · „Der Goldene Handschuh“ über einen Hamburger Frauenmörder feierte Premiere auf der Berlinale und wird seit dem äußerst kontrovers diskutiert: Bernd Desinger, Direktor des Filmmuseums und Florian Deterding, Leiter der Black Box, konnte er nicht überzeugen.
Nach seinem vielfach preisgekrönten Film „Aus dem Nichts“, hat sich Fatih Akin für „Der goldene Handschuh“ die reale Geschichte des Frauenmörders Fritz Honka vorgenommen, der Anfang der 70er Jahre in Hamburg Prostituierte auf bestialische Weise umbrachte. Der Film „Der Goldene Handschuh“ basiert auf einem Roman von Heinz Strunk und sorgt seit seiner Erstaufführung auf der diesjährigen Berlinale für kontroverse Diskussionen über die Darstellung von Gewalt und des Täters. Wir haben einmal bei zwei Düsseldorfer Kinoexperten nachgefragt, wie sie über „Der goldene Handschuh“ denken: Bernd Desinger, Direktor des Filmmuseums, und Florian Deterding, Leiter des Kinos Black Box.
Florian Deterding: Das kann ich gut nachvollziehen. Mir geht es mit dem Film auch so, dass ich die Inszenierung eher als unfreiwillig komisch empfinde.
Bernd Desinger: Was Fatih Akin wohl eher nicht bezweckt hat. Mir ging es auch so. Ich fand alles irgendwie überzeichnet, die Gesichter, die Kleidung.
In der Pressekonferenz der Berlinale erklärte Akin, er wolle Honka mit dem Film seine Würde wiedergeben.
Deterding: Damit hat er wohl mehr das Gegenteil erreicht, ganz im Gegensatz zu Strunk, der über Honkas psychische Verfassung und seine gescheiterte Existenz recht detailliert geschrieben hat. Was dessen Handeln nachvollziehbarer macht. Strunk wertet nicht und ist dennoch nah an der Figur, das schafft der Film nicht.
Der Kiez mit all diesen schrägen Typen wirkt im Film ein wenig wie eine Nummernrevue.
Deterding: Akin zeigt in seinen Filmen immer gerne coole Typen. Aber der Honka war nicht cool. Mir kommt es so vor, als hätte der Regisseur sich nicht entscheiden können, ob er einen Film über ein ernstes Thema oder einen Genrefilm drehen will. Also in diesem Fall Horror mit entsprechenden Schockbildern.
Manche der wirklich schlimmen Szenen zeigt Akin gar nicht, die hört der Zuschauer nur.
Desinger: Diese Geräusche empfinde ich als schlimm, weil sie nicht wirklich zu den Bildern passen, die im Kopf des Zuschauers entstehen. Der Film hat einige dramaturgische Schwächen und die Figuren laufen durch die Szenerie, wie Karikaturen.
Wie bewerten Sie denn die schauspielerische Leistung?
Deterding: Die war gut, wenn ich auch immer die Assoziation hatte, da versuchen Schauspieler mit Verkleidung das 70er-Jahre-Flair auf die Leinwand zu bringen. Das ging mir schon beim „Baader-Meinhof-Komplex“ so und auch mit Bruno Ganz in „Der Untergang“.
Sie sagten vorhin, Strunk sei im Buch näher an der Figur dran. Hat Sie der Film nicht berührt, etwa wenn Sie an die Opfer denken?
Deterding: Der Film berührte mich nicht so wie das Buch. Es gibt zu viele Wiederholungen und irgendwann ist man von der Gewalt auch gelangweilt. Dabei ist es doch eine tieftraurige Geschichte. Die Romanvorlage beschreibt Honka, wie er alleine auf einer Fähre ist oder in den Zoo geht. Man spürt als Leser, wie es in ihm brodelt, weil er unter all den Menschen einsam ist.
Desinger: Manche Szenen sind schon unglücklich gespielt. Es ist oft immer etwas zu viel. Den inneren Dialog von Honka sehen wir nicht.
Wie ist denn Ihr Fazit zu dem Film?
Desinger: Ich habe großartige Filme von Akin gesehen, aber hier erkenne ich seine Handschrift einfach nicht. Die Geschichte funktioniert so, wie er sie inszeniert hat, für mich nicht.
Deterding: Man spürt in seinen anderen Filmen, dass es sein Thema ist, er hat dazu einen Bezug. Der fehlt bei diesem Film. Wenn er von Migration erzählt, stimmt die Dramaturgie, da sind die Schauspieler gut besetzt und gut geführt.
Desinger: Genau das vermisst man leider bei diesem Film. Dafür ist sehr viel Wert auf die Ausstattung gelegt worden.