„Es gab immer Gewalt“ Was Wirte zur Gewalt in der Düsseldorfer Altstadt sagen

Interview | Düsseldorf · Die beiden Altstadt-Gastronomen kennen das Viertel von Kindesbeinen an und bewerten die neue Problemlage.

Daniel Vollmer (Schickimicki, Retematäng, Ratinger Hof) traf Karl-Heinz Gatzweiler in dessen Hausbrauerei „Zum Schlüssel“ an der Bolkerstraße.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

In der Hausbrauerei „Zum Schlüssel“ an der Bolkerstraße treffen sich Chef Karl-Heinz Gatzweiler (66) und Daniel Vollmer (43), Betreiber des Schickimicki an der Neustraße sowie von Ratinger Hof und Retematäng an der Ratinger Straße. Ihr Thema: die Altstadt, die sie beide schon ihr Leben lang kennen, und die aktuellen Debatten um die Sicherheit im Partyviertel. Ein 19-Jähriger war jüngst mit einer abgebrochenen Glasflasche tödlich verletzt worden, ein 17-Jähriger überlebte einen Messerstich eine Woche später nur knapp. Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) spricht von einer neuen Qualität der Gewalt.

Herr Gatzweiler, Herr Vollmer, was sind Ihre ersten Erinnerungen an die
Altstadt?

Gatzweiler: Mein Vater hat mich oft mit in den Schlüssel genommen, wir liefen dann von Derendorf aus durch den Hofgarten. Auf der Bolkerstraße fuhren damals noch Autos. Im Hinterhof des Schlüssel, der heute Teil des Gebäudes ist, liefen noch Hühner herum. Ich bin quasi in der Altstadt groß geworden.
Vollmer: Das ist bei mir auch so. Mein Opa hat das Haus an der Ratinger Straße 43 gebaut. Dort bin ich groß geworden und lebe dort immer noch über der Retematäng. Früher war da um die Ecke auf der Ratinger Mauer der Straßenstrich. Ich bin in der Altstadt in den Kindergarten und zur Schule gegangen. Meine Freunde sagen immer, wenn ich das Ratinger Tor verlasse, habe ich einen Reisepass dabei. Und ich weiß noch, dass mir als kleiner Junge mal ein Punk eine Pommes geklaut hat.

Machen Sie sich in der Altstadt Sorgen um Ihre Sicherheit?

Gatzweiler: Es kam mir nie gefährlich vor. Ich habe auch noch nie eine Gewalttat gesehen. Ich meide nachts auch keine bestimmten Gegenden.
Vollmer: Ich war mal Zeuge einer Schlägerei. Da kam die Einladung zur Befragung übrigens anderthalb Jahre später. Da erfolgt die Strafe für die Täter natürlich deutlich zu spät. Ich habe aber noch nie wirklich Angst in der Altstadt gehabt. Aber wie überall gehe ich auch Menschen aus dem Weg und wechsel die Straßenseite, wenn mir mal was komisch vorkommen sollte. Aber ich verstehe, wenn das zum Beispiel Kerstin Rapp-Schwan als Anliegerin des Burgplatzes anders sieht.

Wie gefährlich ist die
Altstadt?

Gatzweiler: Natürlich ist das Potenzial für Gewalt und Kriminalität dort größer als am Kaiser-Wilhelm-Ring in Oberkassel. Aber das war immer schon so. Ende der 60er, Anfang der 70er-Jahre dominierten auf der Kurze Straße zum Beispiel Rocker und Motorrad-Gangs.
Vollmer: Mir wurde zum Beispiel auch erzählt, dass die Eiskellerstraße und die Ritterstraße mal eine verruchte Gegend gewesen sein sollen. Und nach den Rockern kamen irgendwann die Hooligans. Probleme gab es eigentlich immer. Und früher schon gab es Messerstechereien, die meistens von jungen Männern ausgingen. Das macht es aber heute natürlich nicht besser. Ich will das Thema nicht wegreden.

Es ist also gar nicht schlimmer geworden? Der Oberbürgermeister spricht von einer neuen Qualität.

Gatzweiler: Ob es schlimmer geworden ist, weiß ich nicht. Aber es hat Veränderungen gegeben. Es sind neue Gruppen in die Altstadt gekommen, aus welchem Grund auch immer. Das begann während des Lockdowns. Als wir dann nur die Terrassen bewirtschaften durften, konnte man diese Gruppen dabei beobachten, wie sie ziellos, provozierend und sehr auffallend durch die Gassen zogen. Die wären sicher nirgendwo reingekommen. Die Präsenz ist zwar mittlerweile weniger auffallend, aber diese Personen sind geblieben.

Wie sollte reagiert werden?

Gatzweiler: Man muss die Problematik ernst nehmen und alles versuchen, die Lage zu verbessern. Ich bin für eine noch flächendeckendere Kameraüberwachung und optimierte Ausleuchtung. Und die Stadt muss sehen, dass sie den Provokateuren den Aufenthalt so unbequem wie möglich macht.
Vollmer: Noch mehr Bodycams könnten bei den Einsätzen der Polizei helfen. Zudem würde ich mir szenekundige Beamte wie im Fußball wünschen. Also Experten, die sich mit der Lage vor Ort auskennen, und in Zivil gezielt auf die Personen zu gehen, die Ärger machen. Im Fußball hat das ja sehr gut funktioniert. Am wichtigsten ist Prävention. Diese Menschen aus wohl nicht selten bildungsfernen Schichten müssen viel früher erreicht werden. In der Coronazeit war es für sie zudem besonders schwer, selbst im Sportverein ging ja nichts mehr.

Was sagen Sie zum debattierten Waffenverbot?

Vollmer: Ich wundere mich, dass es zum Teil überhaupt erlaubt ist, mit einem Messer oder bestimmten Waffen rumzulaufen. Das sollte überall verboten sein. Die Polizei würde so auch in die Lage versetzt, mehr Handhabe zu haben, konsequenter durchzugreifen und etwa Platzverweise zu erteilen. Strafen müssen zudem schneller erfolgen.
Gatzweiler: Wichtig ist natürlich, dass ein Waffenverbot dann auch kontrolliert wird. Zumindest in der Politik habe ich den Eindruck, dass Ordnung und Sicherheit jetzt zumindest wieder eine höhere Priorität genießen. Es ist wichtig, dass Ordnungsamt und Polizei von dieser Seite, aber auch gesamtgesellschaftlich der Rücken gestärkt wird. Die Ordnungskräfte sind ja schnell der Buhmann, wenn sie wirklich hart durchgreifen.
Vollmer: Ich finde noch ein weiteres Thema wichtig. Ich verstehe nicht, warum wir auf der Terrasse ab Mitternacht keinen Alkohol mehr verkaufen dürfen und wir sogar hinter unseren Gästen herlaufen müssen, wenn sie mal mit einem Bier nach draußen gehen, während gleichzeitig in den Büdchen die ganze Nacht durch harter Stoff verfügbar ist. Dieser Alkohol spielt nachts bei der Gewalt auf den Straßen in der Altstadt sicher eine große Rolle. Die Leute sollen wegen der längsten Theke der Welt kommen und nicht wegen des längsten Büdchens.
Gatzweiler: Die Zahl der Büdchen hat auch sehr zugenommen über die Jahre hinweg. Im Sortiment kann man die Ausrichtung sehr klar erkennen. Zudem ist zu beobachten, wie der gekaufte Alkohol regelmäßig vor der Tür an Minderjährige weitergegeben wird. In Ländern wie Spanien ist es ja auch möglich, dass ab einer bestimmten Uhrzeit etwa in Supermärkten kein Alkohol mehr verkauft wird. Für ein solches Verbot wäre ich auch in der Altstadt.

Wie reagieren ihre Gäste auf die aktuellen gewalttätigen Vorfälle?

Gatzweiler: Es ist bei uns im Brauhaus eigentlich kein Thema. Die Konflikte beginnen ja meist erst, wenn wir schon geschlossen haben. Für den Schlüssel an den Kasematten hatte ich jetzt allerdings zwei Absagen von größeren Reservierungen aus dem Umland. Die Begründung war tatsächlich, dass man die Hotspots Altstadt, aber auch Hauptbahnhof meiden wolle.
Vollmer: Unsere Gäste sind nicht abgeschreckt, wir liegen auch eher am Rand der Altstadt, Man kann quasi zu uns kommen, ohne mitten durch die Altstadt zu müssen.