Wege in den Job: Vier Menschen, vier Werdegänge
Das Berufsbildungszentrum der Düsseldorfer Awo gibt es nun 40 Jahre — und hat viele Menschen in den Job begleitet. Vier Geschichten.
<h3>Erfolgreiche Geschäftsfrau mit Hauptschulabschluss
Tatjana Helfenbein musste sich einiges anhören. Grüne Haare, blaue, aktuell sind sie lila. Damit kam nicht jeder zurecht, was dazu führte, dass sich die Suche nach einem Praktikumsplatz sogar in einem Frisörsalon als schwierig gestaltete. Noch dazu mit einem Hauptschulabschluss. „Den Stempel schleppt man wie eine schwere Last mit sich herum.“
28 Jahre alt ist Tatjana Helfenbein heute und hat ein eigenes Geschäft. Übernommen von ihrer ehemaligen Chefin. Die Frauen verstanden sich auf Anhieb, daher hilft die Ex-Chefin einmal pro Woche bei Tatjana Helfenbein aus. „Mein Weg war nicht einfach“, sagt sie rückblickend.
Nachdem sie die Hauptschule Benrath verlassen hatte und es beruflich nicht weiterging, machten Bekannte ihr Mut. „Voll cool“ sei es beim Berufsbildungszentrum der Awo, wohin man sie verwiesen hatte. „Sie gingen zur Schule und waren im Betrieb, das gefiel mir“, sagt Tatjana Helfenbein. „Ich wollte arbeiten und nicht mehr im Unterricht sitzen.“ Bei der Awo geriet sie an eine engagierte Sozialarbeiterin des Berufsbildungszentrums (BBZ), welche die berufliche Qualifikation von Tatjana Helfenbein vorantrieb. Sie bekam endlich ihren Praktikumsplatz; eine Ausbildungsstelle schloss sich an. In diesem Jahr hat sie die Meisterschule abgeschlossen und leitet ihren eigenen Salon. „Das ist alles, was ich wollte.“
Als der neue Chef seinen Azubi zum Arzt schickte, ahnte der junge Mann, dass die Angelegenheit nicht gut ausgehen würde. Sebastian Hamacher, der damals eine Lehre als Mechatroniker für Kältetechnik absolvierte und kurz vor seiner Abschlussprüfung stand, leidet unter einem Tremor, also einem Muskelzittern, das feinmotorisches Arbeiten schwierig macht.
(Sebastian Hamacher ist in der Ausbildung krank geworden.)
Dennoch kam Sebastian Hamacher ganz gut klar, jedenfalls so lange, bis sein Vorgesetzter wechselte. Dann der Schock — das medizinische Gutachten sprach ihm die Fähigkeit ab, einen hand-werklichen Beruf ausüben zu können. Einen Monat vor Ausbildungsende musste Sebastian Hamacher seinen bisherigen beruflichen Weg abbrechen.
Über die Agentur der Arbeit kam er im Winter 2014 zum BBZ der Awo. Mit dessen Unterstützung nahm sein beruflicher Weg eine Wendung. Kooperationspartner war das Düsseldorfer Unternehmen Cretschmar Cargo, das dem jungen Mann nach einem Jahr eine Ausbildungsstelle zur Fachkraft für Lagerlogistik an-bot. Inzwischen kümmert er sich in dem Unternehmen als angehender Industriemeister um Personalplanung und wird in einem nächsten Schritt ein Studium aufnehmen — den Masterstudiengang für Logistic und Supply Chain Management. „Ohne die Awo wäre mein beruflicher Weg sicher anders verlaufen.“ Die neue Perspektive hatte bewirkt, dass Sebastian Hamacher die Leistungsbereitschaft nicht abhanden kam — trotz der enttäuschenden Vorgeschichte. Nach acht Stunden Arbeit im Betrieb geht er fünf Stunden zur Schule. Sein Tag ist lang und beginnt manchmal um vier Uhr morgens. „Aber ich weiß ja, wofür ich das mache.“
Ruhe bewahren und das Problem lösen. Wer im grenzenlosen Internet zu tun hat, braucht ein dickes Fell, um die Anrufe besorgter Kollegen nach „wichtig“ und „nicht ganz so wichtig“ einzuteilen. Lars Boland lässt das Telefon also klingeln, als er seine Geschichte erzählt, die vor gut 13 Jahren mit der Insolvenz seines damaligen Arbeitgebers begann, einer Softwareschmiede in Eller.
(Über einen Ein-Euro-Job gelang Lars Boland der Wiedereinstieg in den Beruf.)
Lars Boland, der eine Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann absolviert hatte, suchte eineinhalb Jahre nach einer neuen Aufgabe, schrieb um die 50 Bewerbungen, über-legte, sich selbstständig zu machen. „Aber der Markt war voll mit IT-Leuten.“ Schließlich nahm er einen Ein-Euro-Job im BBZ der Awo an, wo er Rechner installierte und andere unterstützende Arbeiten im IT-Bereich erledigte. „Ich wollte arbeiten“, sagt Lars Boland, der wenige Monate später zusätzlich in der IT-Abteilung im Awo-Hauptsitz an der Liststraße aushalf. Als dort eine Stelle frei wurde, erhielt sie Lars Boland.
Mittlerweile ist der 45-Jährige stellvertretender Leiter der IT-Hauptabteilung der Awo. „Es ist eine echte Hilfe, dass das BBZ so breit aufgestellt ist und die Mitarbeiter dort sehr genau auf die Menschen und ihre Stärken achten. Nur so ist sinnvolle Förderung möglich.“
Bei einem Football-Spiel zog sich Dirk von Zeddelmann vor 15 Jahren einen so schlimmen Bandscheibenvorfall zu, dass der Arzt es ihm untersagte, seinen Beruf als Zimmermann weiter auszuüben. 23 Jahre alt war er damals und nicht bereit, sich unterkriegen zu lassen.
(Dirk von Zeddelmann rutschte nach einer Sport-Verletzung in Hartz-IV.)
Eine neue berufliche Aufgabe vermittelte die Reha-Abteilung der Agentur für Arbeit. Bürokaufmann — das hörte sich für den Düsseldorfer gut an. „Ich wollte endlich wieder loslegen, nachdem es ein Dreivierteljahr gedauert hatte, bis ich wieder schmerzfrei laufen konnte.“
Er beendete die Umschulung 2007, fand jedoch keine Anstellung und rutschte in Hartz IV. „Es ist megaschwer, als Umschüler ohne Praxiserfahrung einen Job zu finden“, sagt Dirk von Zeddelmann. Es war eine harte Zeit. Er hatte als Zimmermann in einem Bauunternehmen nicht nur gut verdient, sondern sah in der ganzen Stadt die Ergebnisse seiner Arbeit. Und jetzt? Nichts. „Ich bin den Leuten von der Agen-tur für Arbeit richtig auf den Keks gegangen, damit ich arbeiten konnte.“
Als Ein-Euro-Jobber kam er zum Berufsbildungszentrum der Awo und half einem Kollegen, der die Buchhaltung für die Offene Ganztagsschule erledigte. Die Maßnahme war auf ein Jahr begrenzt. Die knappe Zeitspanne jedoch genügte, um die Vorgesetzten davon zu überzeugen, Dirk von Zeddelmann behalten zu wollen. Also blieb er. Inzwischen ist der 37-Jährige als Hauptbuchhalter für die Awo Familienglobus gGmbH tätig, hat seinen ersten Jahresabschluss gerade hinter sich gebracht und freut sich auf die Zukunft. „Dass es für mich so lief, war vielleicht ein bisschen das Glück des Tüchtigen“, sagt von Zeddelmann. „Und es liegt wohl auch in meinen Genen, nicht den Kopf in den Sand zu stecken.“