Suizid Wenn Menschen keinen Ausweg sehen
Der Düsseldorfer Verein „Tabu Suizid“ will Betroffenen und ihren Angehörigen helfen.
Düsseldorf. „Ich hatte den Eindruck, als renne ich gegen Wände“, beschreibt Kerstin Backmann (Name von der Redaktion geändert) ihre damalige Situation. Kerstin ist noch jung, als sie eine schwere persönliche Krise durchlebt. Aufgrund von Beziehungskonflikten und Problemen im Studium fühlt sie sich immer häufiger wertlos und erschöpft. Aus einem Gefühl der Ausweglosigkeit heraus versucht Kerstin Backmann schließlich, sich das Leben zu nehmen.
Die Initiative Tabu Suizid ist der einzige Verein in der Region, der sich um Betroffene kümmert. Renate Reichmann-Schmidt ist Gründerin und selbst betroffen. 1972 nahm sich ihr Vater das Leben. Damals war Renate Reichmann-Schmidt 16 Jahre alt. „Meine Familie hat den Suizid damals aus Scham verschwiegen und stattdessen erklärt, es wäre ein Unfall gewesen“, erzählt sie.
Erst 2006 findet Reichmann-Schmidt den Mut, das eigene Familienschicksal aufzuarbeiten. Sie gründet eine Selbsthilfegruppe, in der sich Kinder, Eltern und Partner austauschen können, die einen Menschen durch Selbsttötung verloren haben. 2010 entsteht aus der Selbsthilfegruppe die Initiative Tabu Suizid. Ihr Anliegen: Betroffenen Hilfestellung leisten und das Thema Selbsttötung aus der Tabu-Zone in den Fokus der Öffentlichkeit rücken.
Laut Statistikamt NRW nahmen sich 2013 im Regierungsbezirk Düsseldorf 497 Menschen das Leben, 47 davon in der Stadt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass jeder Suizidtote durchschnittlich fünf bis sieben Angehörige hinterlässt. Für die ist ein Suizid oft schwer zu verarbeiten.
„Anders als ein Unfall oder eine Krankheit können Angehörige den Suizid nur sehr schwer als Todesursache akzeptieren,“ sagt Reichmann-Schmidt. Nach so einer Tat beschäftigt die Hinterbliebenen vor allem eine Frage: Warum? Oft kommen zermürbende Schuldgefühle dazu. Viele Angehörige fragen sich, ob sie nicht etwas hätten merken müssen und die Tat hätte verhindert werden können.
Kerstin Backmann hat den Weg zurück ins Leben geschafft. Mittlerweile sind einige Jahre seit dem gescheiterten Suizidversuch vergangen. Nach vielen Therapie- und Klinikaufenthalten hat sich ihr Zustand stabilisiert. Ärzte und Therapeuten diagnostizierten bei ihr eine Borderline-Störung.
Rückblickend spricht sie von einer Impulshandlung. „Ich merke heute, dass ich einen viel stärkeren Selbsterhaltungstrieb habe als früher.“ Ganz ablegen kann sie die destruktiven Gedanken nicht, doch sie ist zuversichtlich. Geholfen haben ihr nicht nur die Therapiesitzungen, sondern auch der Zuspruch von Mitmenschen.
Sie hat aber auch negative Reaktionen erfahren: „Suizid ist in unserer Leistungsgesellschaft ein Makel. Suizidale Personen werden als schwach angesehen, als Menschen, die Aufmerksamkeit wollen.“ Für die Zukunft wünscht sie sich einen offeneren Umgang mit dem Thema. „Es muss thematisiert werden, dass dauerhafte Suizidgedanken ein Hinweis auf eine psychische Erkrankung sind, die man behandeln kann.“