Fußball E-Jugend Teamgeist im Tabellenkeller: Wie eine Düsseldorfer Mannschaft das Verlieren meistert

Düsseldorf · Die E-Jugend des Post-SV hat eine harte Saison hinter sich. Das Torverhältnis liegt bei 30:222. Und trotzdem lassen die Kinder sich vom ewigen Verlieren nicht entmutigen.

Die E-Jugend-Mannschaft des Post-Sportvereins lässt sich nicht unterkriegen.

Foto: David Young

„Was sind wir? Ein Team! Was sind wir? Ein Team!“, schreien die 14 Jungs. Sie stehen Arm in Arm  im Kreis auf einem Fußballplatz in Gerresheim und brüllen schon wie die Großen. Gerade waren sie noch etwas enttäuscht. Eigentlich sollte jetzt ein Testspiel stattfinden – aber der Gegner hat eine halbe Stunde vorher abgesagt. Egal, dann wird jetzt trainiert.

Das war keine gute Saison für die E-Jugend des Post-Sportvereins. Die Neun- bis Zehnjährigen sind Tabellenletzter. Die Mannschaft hat von 22 Spielen zwei gewonnen. Also 20 Mal verloren. Das Torverhältnis liegt bei gnadenlosen 30 zu 222. Sieben Punkte haben die Postler gemacht, der erste in der Tabelle, der TSV Eller, hat 59. Sicher, irgendeiner muss immer das Schlusslicht einer Tabelle sein. Die Frage ist, wie sich das anfühlt, immer zu verlieren. Und warum man dann eigentlich noch zum Training kommt.

Sieben gegen sieben wird jetzt im Training gespielt. Die beiden Trainer Christopher Rieke und Carsten Dreßler spielen auch mit. „Arian, du bist in der Verteidigung, was machst du da vorne?“, ruft Rieke. Dann: „Julian, gib den Ball ab!“. Deutliche Worte fallen hier. „Wenn du so spielst, spielst du gar nicht. Das ist ein Mannschaftssport.“ Robin (10) ist der Torwart der Mannschaft und steht auch jetzt im Tor. „Foul!“, schreit Carsten Dressler im Strafraum. Nach kurzer Diskussion ist es entschieden: Elfmeter. Robin hält. Das Spiel geht weiter. Viele Pässe und Dribblings sehen vom Spielfeldrand richtig gut aus.

„Die sind auch nicht schlecht, nur war das ihr erstes Jahr in der E-Jugend, und sie haben fast nur gegen Ältere gespielt“, erklärt Christopher Rieke. „Und das macht in dem Alter wirklich was aus, wenn der Gegner immer einen Kopf größer ist.“ Nicht nur das, kurz vor Beginn der Saison und dem Aufstieg in die E-Jugend hat ein früherer Trainer den Verein verlassen – und sechs Spieler, Leistungsträger, mitgenommen. Zwei weitere haben die Mannschaft für andere Vereine verlassen. „Die Jungs hatten 2017/2018 in der F-Jugend eine richtig gute Saison. Es kamen auch oft Scouts von wichtigen Clubs vorbei. Als es dann im September 2018 mit der E-Jugend weitergehen sollte, hieß es kurz vorher: Acht Spieler und der Trainer sind weg. Es gab nicht mal eine Verabschiedung“, erzählt Carsten Dreßler. Immerhin wurden schnell neue Spieler und mit dem Realschullehrer Christopher Rieke auch ein neuer Trainer gefunden. Aber: Das erste Spiel verlor die Mannschaft dann mit 11:0. Die wohl härteste Niederlage war ein Spiel gegen den DSC, ein 22:0.

Die Kinder haben dennoch viel Potenzial

Robin im Tor hat das oft geärgert. Er hatte auch schon mal überlegt, den Verein zu wechseln. „Aber das Team wollte ich dann doch nicht verlassen“, sagt er. Robin ist gut, „er hat uns in Spielen schon oft den Allerwertesten gerettet“, sagt Christopher Rieke. Aber wenn drei Spieler ungehindert auf ihn zulaufen würden, sei eben nicht mehr viel zu retten.

Und nicht nur Robin ist gut. Auch die anderen Kinder haben viel Potenzial. Sodass es in der letzten Saison auch mal für Überraschungen gereicht hat: Das Hinspiel gegen die 1. Fußballschule Düsseldorf hat der Post-Sportverein zwar 13:1 verloren. Im Rückspiel hat Post dann aber 8:6 gewonnen.

„Gerade am Anfang der Saison sind die Kinder oft mit hängendem Kopf vom Platz gegangen. Wir haben dann meistens nach dem Spiel noch ein Elfmeterschießen gemacht, einfach, damit sie irgendein Erfolgserlebnis an diesem Tag haben“, erklärt Rieke. Mittlerweile reichen im Spiel schon kleine Erfolge für ein gutes Gefühl: „Wenn die nur ein Tor schießen, dann feiern die das, als hätten sie gerade die Champions League gewonnen.“ Man müsse aber auch offen über die Enttäuschungen reden. Im Team und zu Hause, sagt Rieke.

Nathan (10) bekommt leuchtende Augen, wenn er von dem 8:6 gegen die Fußballschule erzählt. An dem Ergebnis war er nicht ganz unbeteiligt: Er hat vier Tore geschossen. Nathan gehört zu den sechs Kindern, die schon lange dabei sind und den Umbruch in der Mannschaft miterlebt haben. „Ich sag mal so, es ist schon nervig, wenn man so oft verliert“, sagt er und schaut dabei ernst auf den Kunstrasen. „Aber wenn wir dann doch mal gewonnen haben oder ein Tor schießen konnten, habe ich mich so sehr gefreut. Außerdem wird die nächste Saison besser“, prognostiziert er fachmännisch.

Da könnte er Recht haben: Denn ab jetzt sind die Gegner in der E-Jugend für die Post-Spieler gleich alt oder jünger. Die Hoffnung darauf, dass es jetzt mehr Erfolge geben wird, treibt alle Spieler an. Eigentlich ist derzeit auch Sommerpause, trotzdem sind alle zum Training gekommen. Zwei Mal pro Woche wird gemeinsam auf dem Sportplatz an der Dreherstraße trainiert, draußen, bei fast jedem Wetter.

Felix ist neun Jahre alt und erst seit einem halben Jahr im Team. Er ist ein kleines Sturm-Talent. Und froh über den Zusammenhalt in seiner neuen Mannschaft. „Als wir im Rückspiel ganz überraschend gegen eine Mannschaft gewonnen haben, die dachte, dass die da viel besser sind als wir, haben die sich danach alle gestritten“, erzählt er. Christopher Rieke hat das damals auch so gesehen. „Die haben sich alle gegenseitig fertig gemacht. Für unsere Kinder war der Fall dann klar: Lieber verlieren und ein gutes Team sein, als immer gewinnen und nicht zusammenzuhalten.“

Das Training ist vorbei, die Kinder traben zum Spielfeldrand, wo einige Eltern schon warten, und trinken erst mal was. Ein paar Bälle liegen hier herum. Es dauert nicht lange, da fliegen die schon wieder durch die Luft. Samuil (9) kennt auch noch die alte Mannschaft, mit der er oft gewonnen hat. Mit der neuen oft zu verlieren, hat ihm aber nicht geschadet, sagt er: „Egal, wie die letzte Saison war und wie oft wir eine Klatsche bekommen haben, Hauptsache ist, es macht Spaß.“ „Genau“, sagt Felix, „wir haben sehr viel gelernt aus unseren Fehlern. Und aus dem Verlieren. Aber wir sind ein Team geblieben.“

Und das ist das gesamte Team: Zoran, Alexsander, Jawad, Julian, Samuil, Arian, Adrian, Ayoub B., Ayoub C., Angelos, Fabien, Nathan, Felix, Mohamed.