Kolumne: Woche 4 im Home-Office mit Kindern in Zeiten von Corona Vom optischen Verfall und Friseurambitionen
Düsseldorf · Home-Office mit Kindern in Zeiten des Coronavirus ist kein Selbstläufer. Das braucht einen ausgefeilten Plan.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis der optische Verfall einsetzt. Und ich meine jetzt nicht diesen unausweichlichen, den das Leben nun mal vorschreibt. Ich meine den coronabedingten Isolation-mit-Kindern-Verfall. Mein neuer Arbeitsplatz an der Küchentheke mit Blick auf den Kühlschrank bietet nun mal andere Voraussetzungen als mein Schreibtisch in der Redaktion, den ein langer Flur von dem nächsten Kühlschrank trennt, in den man – sorry, liebe Kollegen – nur gezwungenermaßen einen Blick hineinwagt, auf der Suche nach einem Schuss Milch für den Kaffee.
Und der Anspruch, den Kindern möglichst oft ein adäquates Alternativprogramm zum fehlenden Kindergarten zu bieten und dabei immer wieder beim Thema Backen landet, trägt nicht weniger zu der eingangs erwähnten These bei, dass der Verfall im Homeoffice zwangsläufig kommen musste. Heute Morgen zog ich nach fünf Tagen in meiner Lieblingsjeans dann mal ein neues Paar hervor. Und der Beweis klebte mir an den Beinen: Die gute alte „Regular fit“ ist in kürzester Zeit zu einer „Embrace high ankle“ mutiert. Aber immerhin habe ich noch den Anspruch, Jeans zu tragen. Wer weiß, wann ich auf Jogginghose umsteige und – um Karl Lagerfeld zu zitieren – den kompletten Kontrollverlust erleide.
Wir gehen in die vierte Woche ohne Kindergarten, ohne persönliche soziale Kontakte und mit dem Arbeitsplatz an der Küchentheke. Bisher halte ich nicht nur an der Jeans-Regel eisern fest. Auch die Struktur, die wir uns in den vergangenen Wochen so hart erarbeitet haben, wird aufrechterhalten. Und das fängt schon beim morgendlichen Herrichten an. Am Wochenende darf ruhig bis mittags geschlunzt werden, unter der Woche – Kindergarten hin oder her – sollten alle angezogen am Frühstückstisch sitzen. Ob der Hosenbund unter der Tischplatte nun kneift oder nicht.
Die Struktur ist es aber auch, die mir den Embrace-Look erst eingebrockt hat. Denn sie wird maßgeblich über die Essenszeiten gestaltet. Frühstück, Mittag- und Abendessen sind die Eckpfeiler des Tages und bieten den Kindern Orientierung, was wann gemacht wird. Wer sonst unter der Woche eher zurückhaltend aß wie ich, darf sich also nicht wundern, wenn er nun morgens, mittags und abends nimmt, was auf den Tisch kommt. Und für alles andere zwischendurch auch nicht unbedingt überredet werden muss.
Aber wenn ich mich hier umgucke, befinde ich mich mit meinem Verfall in guter Gesellschaft. Mein Mann verteufelt mich immer noch, weil er „ein Mal auf mich hörte“ und nicht zum Friseur ging, als die Salons noch geöffnet waren. Er droht jetzt damit, sich seine Haare komplett abzurasieren. Das Ergebnis sähen ja schließlich nur seine Arbeitskollegen vor der Webkamera, so sein Argument. Herzlichen Dank.
Ich habe ihm angeboten, dass ich das Haareschneiden übernehme. Für mich gibt es nämlich keine bessere Abwechslung, als mal ein bisschen Friseurin zu spielen. Bei ihm konnte ich mich bisher nicht durchsetzen, bei seiner 38 Jahre jüngeren Version schon. Der Junge ist bestechlich. Musste dafür aber bitter bezahlen. Es ist halt ganz schön schwierig, den Stufenschnitt auf beiden Seiten in der gleichen Länge hinzubekommen. Was soll‘s, es sieht ja eh niemand.
Der Rest läuft im Übrigen immer besser. Der Haushalt ist aktuell in Topform. Auch dank der Kinder, die wegen mangelnder Alternativen sehr gerne mitanpacken und selbst auf den Vorschlag, die Bettwäsche heute mal ganz alleine zu wechseln, euphorisch jubeln wie ich zuletzt beim Comeback von East 17 in der Nachtresidenz.
Aber wie war das noch? Man sollte Prioritäten setzten. Vielleicht setze ich die demnächst mal bei mir. Und füge der Struktur einen neuen Punkt hinzu: eine abendliche Laufrunde. Nur für mich allein.