Älteste Bürgerin Kempens Edith Sperling ist auch mit 103 fit
Kempen · Nur wenige Menschen werden 100 Jahre alt oder noch älter. In Kempen leben derzeit neun Frauen und Männer, die so alt sind. Die älteste Bürgerin der Stadt ist Edith Sperling. Ihren Geburtstag hat sie schon durchgeplant.
Wer mit Edith Sperling telefoniert, wird es nicht glauben, dass sie am Samstag, 14. Dezember, 103 Jahre alt wird. Und damit die älteste Einwohnerin Kempens ist. Die Seniorin, die in Haus Wiesengrund in Kempen lebt, wirkt sehr agil und erinnert sich präzise an ein Leben, das mehr als ein Jahrhundert persönliche und auch gesamtdeutsche Geschichte widerspiegelt.
Geboren wurde sie 1921 im Örtchen Dahlem zwischen Leipzig und Dresden. Treuer Begleiter von Geburt an sei ihr Schäferhund „Alf“ gewesen, der nie von ihrer Seite gewichen sei. „Ich hatte eine sehr schöne Jugendzeit mit viel Freiheit und vielen Freunden“, sagt sie. Und dass diese Verbindungen dauerhaft geblieben seien – bis zum Tod der Freunde.
Aufgewachsen sei sie in einem lebhaften Geschäftshaushalt. Der väterliche Betrieb umfasste Elektronik, Ankerwickelei, Dreherei und Motorenreparatur. Nach Abschluss der weiterführenden Schule mit 16 Jahren unterrichtete sie ihr Vater in Buchhaltung und technischem Zeichnen. Bereits mit 17 Jahren machte sie ihren Führerschein. 1941, mitten im Zweiten Weltkrieg, heiratete sie ihren Mann Erich. 1943 bekam sie Zwillinge, einen Sohn und eine Tochter.
Familie flüchtete damals
in den Westen
An Weihnachten 1955 floh die Familie unter abenteuerlichen Umständen in den Westen. Man sei mit dem System nicht konform gewesen, deutet sie an. Und auch dringend benötigte Medizin hätte nicht zur Verfügung gestanden. Während Edith Sperling mit den Kindern per Zug ausreiste, kam ihr Mann nur wenige Stunden später mit dem Flugzeug über Westberlin nach Westdeutschland.
Viel mitnehmen konnte die Familie nicht. Auch Verwandte gab es im Westen keine. Doch Erich Sperling fand sofort Arbeit als Ingenieur bei den Bayer-Werken in Dormagen. „Bayer war sehr sozial“, sagt Edith Sperling. „Die stellten uns eine Notwohnung, erste Möbel und einen kleinen Kredit.“ Bis zur Rente arbeitete ihr Mann bei Bayer, verstarb leider bald nach seiner Pensionierung.
Sie selbst war bis zu ihrer Rente in der Stadtbücherei Dormagen angestellt. Zudem war sie in Dormagen viele Jahre lang ehrenamtlich aktiv, als Protokollführerin beim Sozialverband VdK und als Leiterin der evangelischen Kirchenbücherei.
Ihre Tochter wohnt heute in der Nähe von Geldern, ihr Sohn in Bremen. Die Frau ihres schon mit 39 Jahren verstorbenen Enkelsohnes, der in Kempen-St. Hubert lebte, holte die Jubilarin in ihre Nähe, organisierte den gesamten Umzug.
Sie selbst fühlt sich in Haus Wiesengrund sehr wohl, hat dort ein Netz von Bekannten aufgebaut und nimmt an vielen Aktivitäten teil. Auch für das Tagesgeschehen interessiert sie sich weiterhin sehr, liest regelmäßig die Tageszeitung. „Ich schaue jeden Tag die Nachrichten und rege mich über alles auf“, erzählt sie schmunzelnd. Auch beim Mittagstisch in fester Tischrunde werde oft über das Weltgeschehen diskutiert.
Sie ist immer noch mobil, erreicht mit dem Rollator ihren Einkaufsmarkt und die Bank in der Kempener Altstadt. Oft werde sie gefragt, wie man so fit ein so hohes Alter erreiche. „Kein Alkohol und nicht geraucht“, sagt sie. Und dass sie immer sehr viel Sport getrieben habe.
Schon als junge Frau waren Skifahren und Eislaufen in ihrer Heimat angesagt gewesen. Mit dem Fahrrad war sie bis zum Alter von 92 Jahren unterwegs. Und das Autofahren habe sie erst mit 95 Jahren aufgegeben. Heute macht sie noch bei der Sitzgymnastik in Haus Wiesengrund mit. Sie ist dankbar dafür, dass es ihr noch so gut geht. „Aber das Alter zehrt schon an mir“, sagt sie.
Ihren Geburtstag hat sie bereits durchgeplant. Gefeiert wird in mehreren Etappen. Einmal mit der Familie, zu der neben den beiden Kindern eine Enkeltochter und zwei Urenkelkinder gehören. Dann mit dem Spielekreis und Bekannten aus Haus Wiesengrund. Und ein weiteres Mal mit zwei Ehepaaren, die sich immer sehr um sie gekümmert hätten.