Ringen um den Hambacher Forst Ein Jahr nach der „Hambi“-Räumung – steht die nächste bevor?

Kerpen/Düsseldorf · Am 13. September 2018 begann einer der größten Polizeieinsätze NRWs im Hambacher Forst. Jetzt gibt es dort wieder viele Baumhäuser. Reul und Scharrenbach berichten am Donnerstag und Freitag im Landtag.

 Baumhäuser und massive Polizeikräfte – so sah es im Wald vor einem Jahr aus. Wie es jetzt weitergeht, ist ungewiss.

Baumhäuser und massive Polizeikräfte – so sah es im Wald vor einem Jahr aus. Wie es jetzt weitergeht, ist ungewiss.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Eigentlich hat der Mann keine Zeit. An dem schönen Tag will er noch viel schaffen an seiner Baustelle. Sein Blick wandert zu einer Gruppe von Stieleichen im Hambacher Forst. In luftiger Höhe ist schon die Plattform für die neue Baumhütte fixiert. Sie soll Teil von „Oaktown“ (deutsch: „Eichenstadt“) werden. Genauer gesagt ist es „Oaktown 2“.

„Oaktown“ Nummer 1 ist vor einem Jahr bei einem der größten Polizeieinsätze des Landes beseitigt worden – ein Ort mit fantasievollen Hüttenkonstruktionen in zum Teil schwindelerregenden Höhen. An diesem Freitag jährt sich der Beginn der Räumung. Und die Zukunft der Baumhäuser ist abermals fraglich.

Kaum hatte die Polizei alle illegal gebauten Hütten-Dörfer seinerzeit geräumt, das schwere Gerät abgezogen, hingen in dem Wald am Braunkohletagebau Hambach wieder die ersten Kletterseile in den Bäumen. Mittlerweile gibt es nach Schätzungen der Aachener Polizei wieder bis zu 60 Hütten und andere Konstruktionen in den Bäumen. Geräumt hatten die Beamten damals 86 Baumhäuser.

Dem Mann in „Oaktown“, der sich Stube nennt, geht es längst nicht mehr nur um den Tagebau Hambach und den Hambacher Wald. „Das geht so nicht weiter, das muss gestoppt werden“, sagt er. Mit „das“ meint er die weitere Braunkohleförderung und die Klimazerstörung, auch die Durchsetzung „privater Interessen“ auf Kosten der Erde.

Bei der Räumung im vergangenen Herbst lebte er in seiner Baumhütte in „Gallien“. Auf die Frage, wie das denn war, als die Polizei kam, steigen ihm die Tränen in die Augen: Das Kreischen der Sägen, das Krachen der Bäume, die für den Hubwagen gefällt wurden, die vielen Polizisten im Wald mit Helmen, viele auch mit Schutzschilden. Für viele – nicht nur aus der Klimabewegung – war das eine Machtdemonstration des Staates. Baumbesetzer reagierten drastisch, indem sie von oben Fäkalien auf die Polizisten auskübelten. Auch das erntete reichlich Kritik.

Die massive Polizeipräsenz hat auch ganz normale Bürger wie Franz-Josef Bolz nachhaltig beeindruckt. Der 54-Jährige wohnt noch immer in dem Dorf Morschenich am Hambacher Forst – obwohl die meisten schon umgesiedelt sind. „Ich ging mit dem Hund spazieren und musste meinen Ausweis zeigen. Als ich sagte, dass ich hier lebe, sagte der Polizist mir, dass in diesem Dorf keine Menschen mehr leben.“ Freunde, die mit dem Motorrad zu Besuch kamen, habe die Polizei zur Alkohol- und Drogenkontrolle aufgefordert. „In Deutschland denkt man, hier hat alles sein Recht und seine Ordnung. Und dann bekommt man den Eindruck von einem Polizeistaat.“

Nach der Veröffentlichung zweier von der Landesregierung in Auftrag gegebene Rechtsgutachten, die zu der Räumung geführt haben, ist politischer Streit entbrannt: Mit welcher Motivation ließ die Landesregierung räumen? Die Landesregierung hatte die Räumung mit Sicherheitsmängeln an den Hütten begründet. Die Grünen sehen sich dagegen in ihrer Vermutung bestätigt, dass die Landesregierung einen Grund gesucht habe, um RWE die Rodung zu ermöglichen – die nach einem gerichtlich verfügten vorläufigen Rodungsstopp bisher nicht umgesetzt wurde. Auch die SPD wirft Reul Etikettenschwindel vor.

Minister berichten zur Räumung in Landtagsausschüssen

Ein Jahr nach der Räumung nimmt die politische Diskussion um den „Hambi“ daher jetzt wieder Fahrt auf. An diesem Donnerstag berichtet Innenminister Reul im Fachausschuss des Landtags, Bauministerin Ina Scharrenbach (beide CDU) ist am Freitag dran. Zusätzlich sollen Journalisten an diesem Donnerstag die Möglichkeit bekommen, im Bauministerium volle Akteneinsicht zu nehmen, die Parlamentarier folgen einen Tag später. In der Vorlage der Landesregierung für den Innenausschuss findet sich bereits ein von Reul und Scharrenbach unterzeichnetes Schreiben, das den Anwürfen der Opposition, man habe unbedingt Gründe für die Räumung finden wollen, Auftrieb geben könnte. Darin heißt es: „Die Landesregierung hat sich im Sommer 2018 entschlossen, die rechtlichen Rahmenbedingungen eines Einschreites durch externe Berater prüfen zu lassen.“ Allerdings: Die „Richtigkeit dieses Vorgehens“ hätten Gutachten der Verwaltungsgerichte Köln und Aachen sowie des Oberverwaltungsgerichts Münster „bekanntlich vollauf bestätigt“.

Bleibt die Frage, was die Zukunft bringt. Auf diese Nachfrage verweisen Innen- und Bauministerium gegenüber unserer Zeitung auf die Allgemeinverfügung des Kreises Düren und der Stadt Kerpen von September 2018, wonach Beumhäuser und Ähnliches im Hambacher Forst verboten sind. Und bilanzieren allein zwischen 3. Oktober 2018 und 10. Januar 2019 1200 polizeiliche Einsätze im Wald sowie den Dörfern ringsum. Im März habe es eine Ortsbegehung geben, um sich einen Überblick über die Baumhaussituation zu verschaffen. Ob eine weitere Räumung ansteht indes, diese Frage bleibt unbeantwortet.