Kein anderer Jazz-Musiker wurde so oft mit dem Grammy ausgezeichnet wie der begnadete Künstler, der zuletzt live auf Facebook spielte Fantasie als Werkzeug: Jazz-Genie Chick Corea gestorben
NEW YORK · . Der hochdekorierte US-Jazz-Künstler Chick Corea ist tot. Der 79-jährige Komponist und Pianist starb bereits am Dienstag an einer seltenen Krebs-Erkrankung, wie am Donnerstag (Ortszeit) auf Coreas offizieller Facebook-Seite sowie seiner Webseite mitgeteilt wurde.
Den Musikpreis Grammy gewann er nach Angaben der Akademie 23 Mal, so oft wie kein anderer Jazz-Musiker. Nominiert wurde er 67 Mal.
Corea sei „unbestritten einer der unglaublichsten Jazz-Innovatoren aller Zeiten“, schrieb die Grammy-Akademie nach dem Bekanntwerden seines Todes auf Twitter. Er habe über fünf Jahrzehnte das Regelwerk des Jazz umgeschrieben, hieß es weiter.
„Durch seine Arbeit und die Jahrzehnte, die er damit verbracht hat, die Welt zu bereisen, hat er das Leben von Millionen Menschen berührt und inspiriert“, sagte seine Familie in ihrer Stellungnahme. Der britische Künstler Yusuf/Cat Stevens bezeichnete Corea als einen der „innovativsten Musiker“, mit dem er jemals gearbeitet habe.
In einem BBC-Interview zuletzt beschrieb sich Corea als Komponist, Innovator und Pianist. Fantasie bezeichnete er dabei als sein Werkzeug. Der Künstler öffnete am elektrischen Piano in den Ensembles von Miles Davis ab Ende der 60er die Tür für die Ära der Fusion aus Jazz und Rock. Trotz allem blieb Corea aber auch immer dem Akustik-Klavier verbunden.
Auf seiner Webseite wurde auch eine letzte Botschaft Coreas übermittelt: Die Welt brauche mehr Künstler, wurde er darin zitiert. „Meine Mission war es immer, die Freude am Gestalten zu bringen, wo immer ich konnte, und dies mit all den Künstlern zu tun, die ich so sehr bewundere - das war der Reichtum meines Lebens.“
Nachdem der als Armando Anthony Corea geborene Sohn eines Trompeters und Bassisten bereits mit vier Jahren am Klavier gesessen und früh Unterricht genossen hatte, spielte er in jungen Jahren mit Saxofonlegende Stan Getz und Dizzy Gillespie zusammen. Beeinflusst wurde er sowohl von Herbie Hancock und Thelonious Monk als auch von lateinamerikanischen Rhythmen. Star-Trompeter Davis erkannte Coreas Talent und nahm ihn statt Hancock mit auf Tour - mit dem Corea später allerdings auch noch auf eine Welttournee gehen sollte.
Als seien all diese Namen nicht genug, begann Corea musikalisch auch Ausflüge in andere Genres, etwa im brasilianisch angehauchten Album „Light as a Feather“, auf dem er mit „500 Miles High“ und „Spain“ brillierte. Ob mit E-Gitarrist Bill Connors, Flamenco-Klängen im Album „My Spanish Heart“ oder seinem rockigen Elektro-Jazz der 80er und 90er Jahre: Während Coreas Finger über die Tasten schwebten, verwandelte sich sein Jazz in ein musikalisches Kaleidoskop. Nicht umsonst taufte er sein 1992 gegründetes Label „Stretch Records“, das Grenzen dehnen und Kreativität anstelle von Genres stellen sollte.
Publikum wie Kritiker faszinierte, dass dem Lockenkopf selbst die vielseitige und wandelbare Musikrichtung des Jazz offenbar nicht genug Raum ließ. Hinzu kam eine unverkennbare Liebe zum Spiel über fünf Jahrzehnte, in denen Corea als Bandleader und Solist mehr als 100 Alben veröffentlichte. Wie verbunden er der Musik war, zeigte sich schon daran, dass er nach einem gelungenen Konzert oft stundenlang allein weiterspielte, anstatt sich an einer Bar unters Volk zu mischen.
Den gern kolportierten Gegensatz von klassischer Musik und Jazz verkehrte Corea mit seinem Spiel oft ins Gegenteil, etwa mit seinem Album „The Mozart Sessions“, das er mit Bobby McFerrin und dem Saint Paul Chamber Orchestra aus Minnesota aufnahm. Unvergessen dürfte die Aufführung seines zweiten Klavierkonzerts „The Continents“ im Wiener Mozartjahr 2006 bleiben.
Corona-Pandemie durchkreuzte
Pläne für neuere Live-Aufführung
2020 arbeitete der überzeugte Scientology-Anhänger an einer 45-minütigen Hommage an den ungarischen Komponisten Bela Bartok. Aber die Corona-Pandemie durchkreuzte seine Pläne, seine neue Komposition in Budapest live aufzuführen. Er begann daraufhin sein Klavierspiel live über Facebook zu übertragen. Diese Erfahrung brachte ihm nach eigenen Angaben in den letzten Monaten sehr viel Freude. Anstatt nur in Konzerthallen zu spielen, könne er so seine Musik direkt in die Häuser der Menschen bringen.