Gratiskaffee für Bedürftige: Einen trinken, zwei bezahlen

Für manche Menschen ist Kaffee trinken Luxus. Andere spendieren ihnen gern einen. Solche Menschen bringt die Idee des „Aufgeschobenen“ zusammen. Auch in NRW machen immer mehr Cafés mit.

Ein Bon für einen gratis Kaffee liegt im Cafe Parlor an einer Tasse. Cafe Besucher können hier einen Kaffee für Bedürftige spenden.

Foto: Oliver Berg

Köln. Einen Kaffee trinken, zwei bezahlen. Das klingt zunächst nach einem schlechten Geschäft. Dahinter steckt aber die Idee des „suspended coffee“ (aufgeschobener Kaffee). Der Kunde bestellt zwei Heißgetränke, bekommt aber nur eins und spendet das zweite. Der „Aufgeschobene“ wird mit einem Sternchen auf einer Tafel notiert. Bestellen kann den Kaffee dann jemand, der sich sonst keinen leisten könnte.

So funktioniert es im Kölner Café „Parlor“. Jeder Stern auf der Tafel an der Theke steht für einen bezahlten Kaffee. 22 sind es an diesem Nachmittag. „Wir haben häufig mehr Spender als Abnehmer“, sagt Café-Inhaberin Anja Winkler. „Viele wollen mitmachen, etwas Gutes tun. Aber die, die sich den Kaffee nicht leisten können, wollen das nicht zugeben, nicht erkannt werden“, berichtet Winkler. „Die Hemmschwelle ist groß.“

Seit mehr als drei Jahren gibt es das Umsonst-Kaffee-Angebot im „Parlor“. Für Anja Winkler geht es dabei weniger um den Kaffee, sondern darum, „die Leute aus ihrem Alltag heraus zu holen“. Das Angebot ist auch nicht auf Kaffee beschränkt, sondern gilt genauso für andere Getränke oder eine Suppe.

Ursprünglich stammt die Idee des „Aufgeschobenen“ aus Neapel. Doch sie verbreitet sich immer weiter. Auf der Internetseite von „Suspended Coffee“ sind 259 teilnehmende Cafés und andere Geschäfte in Deutschland aufgelistet. Rund 80 davon befinden sich in NRW. Die Zahl nimmt zu.

Marco Tausch kannte die Idee des Gratis-Kaffees aus dem Italien-Urlaub und hat sie in seiner 2017 in Düsseldorf eröffneten „Roasted Kaffeebar“ umgesetzt. Wer ein Heißgetränk spendet, bekommt einen Gutschein. „Tu dir was Gutes“ ist darauf zu lesen. „Den Gutschein kann er zum Beispiel einem Obdachlosen vor dem Supermarkt geben“, sagt Tausch. Persönliche Übergabe statt anonymer Spende.

Auf diese persönliche Komponente setzt auch Anja Winkler im „Parlor“. Die 45-Jährige hat inzwischen zusätzlich zu den Sternchen auf den Tafeln ein Bon-System entwickelt: Der Kaffee-Spender bekommt einen Bon, den er einem Bedürftigen aus seinem Umfeld geben kann. Es seien nicht die typischen Obdachlosen, sondern häufig Ältere oder Alleinerziehende. „Wir wickeln die Gratis-Bestellung diskret ab und behandeln sie wie alle anderen Kunden. Sie sollen sich bei uns wohlfühlen“, sagt sie.

Das ist auch Nicola Meibom, Inhaberin des „Café Flocke“ in Siegen, wichtig: „Es geht bei der Aktion um Teilhabe. Die Bedürftigen sollen den Kaffee nicht bloß mitnehmen. Sie sind hier im Café willkommen.“ Die Kaffee-Spenden werden in Form von Bons in einem Glas hinter der Theke gesammelt. Das Verhältnis von Spendern und Abnehmern sei ausgeglichen.

Auch Meibom berichtet von einer Hemmschwelle, die es für die Betroffenen zunächst zu überwinden gilt. Doch inzwischen habe sie viele Gratis-Kaffee-Stammkunden. „Wenn es in einem Monat mal finanziell besser bei ihnen läuft, bezahlen sie ihren Kaffee auch schon mal selbst“, erzählt Meibom. “Und beim nächsten Mal bestellen sie dann wieder einen Aufgeschobenen.“ dpa