Haseloff: CO2 woanders sparen statt bei der Braunkohle
Magdeburg (dpa) - Für den Klimaschutz sollte Deutschland aus Sicht von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff lieber bei Verkehr und Wohnen Kohlendioxid (CO2) sparen als schnell aus der Braunkohle auszusteigen.
Mit Zuschüssen ließe sich so mit deutlich weniger Geld deutlich mehr Treibhausgas einsparen, sagte der CDU-Politiker am Dienstag in Magdeburg. In diesen Bereichen sei in den vergangen Jahren viel zu wenig geschehen. Parallel forderte er ein millionenschweres Sofortprogramm vom Bund, um den Umbruch in den Kohleregionen zu finanzieren.
Braunkohle ist ein fossiler Rohstoff und setzt bei der Verbrennung viel klimaschädliches CO2 frei. Allerdings hängen in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen Tausende Jobs an der Braunkohle. Ein früher Ausstieg wäre einer aktuellen Studie zufolge jedoch nicht der befürchtete und viel beschworene Jobkiller.
Um den CO2-Ausstoß in Deutschland zu senken und die globale Erwärmung zu begrenzen, ist ein Ausstieg aus der Braunkohle-Verstromung geplant. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace pochte mit Blick auf Haseloffs Vorstöße erneut auf ein schnelles Aus. Der ohnehin stattfindende Strukturwandel müsse aufgrund der Klimakrise beschleunigt werden, forderte Kohle-Expertin Anike Peters. „Schon bei derzeit 1 Grad globaler Erwärmung sind die Folgen der Extremwetter für Sachsen-Anhalt, Deutschland und Europa gravierend.“
Im Süden Sachsen-Anhalts ist der Braunkohle-Förderer Mibrag einer der größten Arbeitgeber der Region. Viele dort fürchten einen ähnlich rabiaten Umbruch wie bei der massenhaften Schließung von Industrieanlagen nach der deutschen Einheit. „Das machen wir nicht noch einmal mit“, sagte Haseloff. Er nimmt an den Sitzungen der Kohle-Kommission der Bundesregierung teil, aber ohne Stimmrecht. Das Gremium soll bis Jahresende ein Datum für das Kohle-Aus festlegen.
Der sachsen-anhaltische Regierungschef hatte ebenso wie seine ostdeutschen Amtskollegen wiederholt vor einem frühen Ausstiegsdatum gewarnt. Wenn eine Abkehr von dem heimischen Rohstoff gewollt sei, dann müsse die Kohle-Kommission bis zum Jahresende auch ein klares „Begleitszenario“ vorlegen, wie der Wegfall Tausender Arbeitsplätze in den Kohleregionen aufgefangen werden soll - und wer dafür bezahlt.
Für erste Planungen und Projekte forderte Sachsen-Anhalts Regierungschef noch für dieses Jahr ein Sofort-Programm in Höhe von 100 Millionen Euro vom Bund. Das sei nötig, um in den betroffenen Landstrichen bessere Infrastrukturanbindungen zu planen und um Investitionen für neue Jobs in verwandten Industriezweigen anzuschieben. „Ich kann aus einem Baggerfahrer schlecht einen Software-Ingenieur machen“, sagte Haseloff. Die Vorbereitung des Strukturwandels brauche Zeit, Ideen - und Geld. Ähnlich hatte sich zuvor Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geäußert.
Allein für das Mitteldeutsche Revier im Süden Sachsen-Anhalts sowie im Raum Leipzig werden die Kosten für bessere Verkehrsanbindung, die Schaffung von Ersatz-Arbeitsplätzen in verwandten Industriebranchen und die Rekultivierung der alten Tagebaue auf eine Milliarde Euro geschätzt. Rund 8000 Jobs hingen an der Braunkohleförderung in Sachsen-Anhalt, rechnete Haseloff vor. Das sei die Hälfte aller Arbeitsplätze in der für das Land prägenden Chemie-Industrie.
Die Bundesregierung plant bisher, an alle Braunkohleregionen 1,5 Milliarden Euro zu verteilen. Das Lausitzer Revier in Sachsen und Brandenburg sowie das Rheinische Revier in Nordrhein-Westfalen sind größer als das mitteldeutsche.
Viel größere Effekte in kürzerer Zeit könnte es bringen, Zuschüsse für gute Wärmedämmung oder abgasarme Autos aufzulegen, schlug Haseloff vor. Doch auch CO2-Einsparungen durch ein beschleunigtes Kohle-Aus müssen nicht zu massenhaften Kündigungen in den Kohleregionen führen, heißt es in einer aktuellen Studie des Öko-Instituts, das die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im Auftrag des Umweltbundesamts berechnete. „Der Strukturwandel verläuft vor allem im Braunkohlebergbau entlang der natürlichen Altersgrenzen“. Bis 2030 gingen fast zwei Drittel der derzeit mehr als 15 000 Beschäftigten im Braunkohle-Bergbau in den Ruhestand.