Dubiose Geldtransfers Hawala – so flossen Millionen in die Türkei

Düsseldorf · Ermittler erklären, wie der von ihnen ausgehobene Ring vorging. Zwei NRW-Minister loben den Coup. Und ein bisschen auch sich selbst.

Beschlagnahmte Geldbündel liegen auf einem Tisch im Landeskriminalamt in Düsseldorf. Teil der sichergestellten Millionen.

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Ein Landesinnenminister oder ein Landesjustizminister muss schon wegen des Charakters seines Amtsbereichs oft den Kopf für Fehlentwicklungen oder Skandale hinhalten. In einer solchen Dauerdefensive tut er gut daran, auch mal einen Befreiungsschlag zu unternehmen. Herbert Reul (Innen)  und Peter Biesenbach (Justiz), standen und stehen nicht zuletzt wegen des aufgeflogenen Pädophilenrings, des Missbrauchsfalls von Lügde und anderer Geschehnisse im Kreuzfeuer der Kritik. Wenn dann mal etwas gelingt, kann man sich auch noch dann dafür feiern lassen, wenn die Nachricht schon einen Tag alt ist.

In Deutschland eingezahlt, zeitgleich in der Türkei ausgezahlt

So dachten sich wohl die beiden CDU-Minister und ihre Medienberater. Und trommelten die Pressevertreter im Landeskriminalamt zusammen, um ihnen gemeinsam mit den Ermittlern in dem spektakulären Hawala-Fall, den millionenschweren dubiosen Geldtransfers, den letzten Sachstand zu vermitteln. Und wenn sie auch offiziell das Ermittlerteam für dessen Arbeit lobten, klopften sich die Minister doch auch hörbar selbst auf die Schulter.

Denn möglich wurde der Ermittlungserfolg durch die von ihnen zusammen mit Finanzminister Lutz Lienenkämper (ebenfalls CDU) vor einem Jahr eingesetzte Task Force. Eine knapp 60 Mann starke Truppe bündelt seither im Landeskriminalamt Erfahrungen aus der Steuerfahndung, der Finanzverwaltung und der Kriminalistik, um der „Spur des Geldes zu folgen“. Und so Terrorfinanzierung, Geldwäsche und andere Missetaten vereint zu bekämpfen. Eben das scheint jetzt in einem ersten spektakulären Fall gelungen zu sein.

Stefan Willkomm von der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft und Michael Reska vom Landeskriminalamt, der den Einsatz der Task Force am Dienstag geleitet hat, schildern, wie das alles gelaufen ist: Spätestens Ende 2017 habe sich eine Gruppierung von mindestens 27 Personen gebildet, um „ungenehmigte Finanztransfergeschäfte“ insbesondere von Deutschland aus in die Türkei und teilweise auch von dort zurück zu tätigen. Das Prinzip Hawala (aus dem Arabischen: wechseln, überweisen), nach dem die Verdächtigen vorgingen, funktioniere so: Ein Kunde, der Geld in Echtzeit in die Türkei transferieren will, zahlt an einer Stelle (hier: eines von mehreren Juweliergeschäften in Duisburg und Pfandhäusern in Berlin) Geld ein. Es erfolgt ein Anruf von Deutschland in die Türkei zur Geldausgabestelle. So kann die entsprechende Summe abzüglich einer Provision nahezu zeitgleich an den Abholer ausgezahlt werden. Keine Buchung ist notwendig, für Außenstehende ist das Geschäft kaum nachzuverfolgen. „Überweisungen“ zwischen täglich 700 000 Euro und einer Million Euro habe es gegeben, so die Ermittler.

In einem Idealfall des Hawala-Systems, so beschreibt es Staatsanwalt Willkomm, würden sich die Töpfe im Ausgeber- und Empfängerland dadurch ausgleichen, dass auch aus der Türkei entsprechend Geld zurück nach Deutschland geflossen wäre. So war es hier aber nicht. Der Großteil der Überweisungen ging in die Türkei. Dann brauche es ein „Clearing“, so Willkomm, irgendwie müsse der Topf in der Türkei ja wieder gefüllt werden, damit dort weiter ausgezahlt werden kann. Laut Ermittlungen haben die Beschuldigten von den zusammengetragenen Kundengeldern in Deutschland große Goldmengen gekauft und an eine türkische Firma weiterveräußert. So sei der Geldtopf in der Türkei wieder gefüllt worden.

Warum das – anders als eine Banküberweisung – strafbar ist

Aber warum ist all das strafbar, ist es nicht vergleichbar mit einer Banküberweisung? Nein, es geht um einen Verstoß gegen das „Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz“ durch eine kriminelle Vereinigung, erklärt Willkomm. Es würden Geldwäschevorschriften verletzt, jede Form staatlicher Kontrolle werde unterlaufen, Buchungen seien nicht nachvollziehbar. Ebenso wenig wie die Klärung der Frage, ob das jeweilige Geld aus legalen oder illegalen Geschäften stammt. Nicht umsonst benötige man in Deutschland für Finanztransaktionsgeschäfte eine Genehmigung der

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).

Nun sind erst einmal drei Personen türkischer Staatsangehörigkeit im Alter von 34, 50 und 51 Jahren in Untersuchungshaft genommen worden. Und die Ermittler haben hohe Werte sichergestellt. „Wir zählen noch“, sagt Reska. Bisher sei man bei 6,2 Millionen Euro in Bargeld, 7,1 Millionen Euro in Gold und anderen Edelmetallen, 6,5 Millionen Euro Schmuck und Edelsteinen, plus weiterer Vermögenswerte von 2,2 Millionen. Und wo wird all das jetzt aufbewahrt? „An sicherer Stelle“, sagt Einsatzleiter Reska. Und auf auf Nachfrage: in den Filialen der Bundesbank.

Natürlich könnten nun diejenigen, die das Geld bei den Juweliergeschäften und Pfandhäusern eingezahlt haben, sich melden und ihr Geld herausverlangen. Doch ob das wirklich passiert? Wohl kaum, wenn das Geld aus illegalen Geschäften stammt. Justizminister Peter Biesenbach jedenfalls freut sich mit den Ermittlern. „Die Truppe arbeitet schon an weiteren Fällen, wir kommen vielen auf die Spur, nur das Datum ist noch offen.“