Interview mit Wolf Haas Von Organhandel und Müllplätzen

Interview | Düsseldorf · Nach acht Jahren veröffentlicht der Krimi-Autor seinen neuen Simon-Brenner-Roman.

Foto: Gerry Nitsch

Julia Stratmann führte das Gespräch

Herr Haas, bereits nach dem sechsten Band wollten Sie sich endgültig von dem Privatdetektiv verabschieden und doch ist wieder ein neuer Brenner-Roman erschienen. Was hat Sie umgestimmt?

Wolf Haas: Nachdem der Brenner zu einer Art Erfolgsprojekt geworden war, fand ich die entsprechende Erwartungshaltung etwas ermüdend. Darum hab ich es beendet. Erst als nach einigen Jahren niemand mehr einen neuen Brenner erwartet hat, war es plötzlich wieder lustig.

„Müll“ ist der Titel. Woher nehmen Sie die Inspiration?

Haas: Ich glaube, jeder Mensch hat jede Menge Inspiration – aber danach fängt die Arbeit erst an. Der Spruch „Zehn Prozent Inspiration, 90 Prozent Transpiration“ wird nicht zufällig so oft zitiert. Allerdings stimmt er nicht. In Wahrheit sind es elf Prozent Inspiration und 90 Prozent Transpiration.

Im neuen Roman arbeitet der Privatdetektiv Simon Brenner als „Mistler“ auf einem Wertstoffhof. Warum haben Sie sich für dieses Setting für den Krimi entschieden?

Haas: Es gibt ja durch die zunehmende Digitalisierung kaum noch Berufe, wo es neben dem Bildschirm noch ein bisschen Realität gibt. Auch die Polizeiarbeit findet hauptsächlich am Computer statt. Darum war die Müllabfuhr reizvoll. Da stinkt und scheppert es wenigstens noch ein bisschen.

Sie beschreiben die Ordnung und die Abläufe auf dem Müllplatz sehr genau. Im ersten Kapitel gerät der Fund der Leichenteile dabei schon fast in den Hintergrund. Es macht den Anschein, als hätten Sie selbst längere Zeit auf einem Wertstoffhof verbracht – ist das so?

Haas: Das ist der Witz am Schreiben, dass es so wirken soll, als hätte der Autor selbst viel Zeit dort verbracht. Die Zeit am Schreibtisch ist dafür aber entscheidender als die am Müllplatz.

Halten Sie es mit der Mülltrennung so genau wie im Roman?

Haas: Ich halte mich da wohl im Mittelfeld auf. Bin zwar guten Willens, aber manchmal auch zu unorganisiert.

Es steht auch noch ein anderes Thema im Mittelpunkt des Krimis: Organhandel. Niere 80 000 Euro, Herz 130 000 Euro, Pankreas 110 000 Euro. Woher nehmen sie diese Informationen?

Haas: Aus dem Darknet.

Was hat sie an dem Thema Organhandel interessiert?

Haas: Die Funkionsaufteilung der Körperteile ist eine interessante Parallele zur Materialtrennung am Müllplatz. Außerdem berührt es ein paar interessante Fragen, die schon älter sind als die Transplantationsmedizin: Ist der Mensch eine Maschine, oder doch nicht, und wenn ja, welche?

Auch dieser Brenner-Roman wird von einer außergewöhnlichen Erzählstimme geprägt, mit Einschüben wie „frag nicht“ und „ja was glaubst du“. Oder teils wirre Gedankengänge. Woher kommt diese Stimme?

Haas: Der Roman ist eben eher so erzählt, wie die Leute reden, nicht so, wie die Leute schreiben. Mir kommt das ganz normal vor.

Wird es noch weitere Brenner-Krimis geben?

Haas: Ich lebe immer in der tiefen Überzeugung, dass ich nie wieder etwas schreiben werde. Bis mir so langweilig wird, dass ich schnell was schreibe, ohne es mir richtig einzugestehen. Wenn ich dann schon einen Teil hab, mach ich es eben fertig.