Grünen-Kandidatin im Wahlkreis 110 „Jedes Familienmodell muss besser unterstützt werden“

Rhein-Kreis · Katharina Voller tritt für die Partei Bündnis90/Die Grünen als Kandidatin für den Bundestag im Wahlkreis 110 an. Sollte die 40-Jährige es nach Berlin schaffen, würde sie zwischen ihrem Wahlkreis und der Hauptstadt pendeln.

Vor Beginn der Pandemie gab Katharina Voller an der VHS in Kaarst Integrationskurse.

Foto: Georg Salzburg (salz)

Vor einem Supermarkt auf dem Vorster Sankt-Eustachius-Platz verteilt Katharina Voller Sonnenblumen an die Bürger, die sie am Morgen auf dem Lammertzhof in Büttgen frisch geschnitten hat. Intensive Gespräche mit Bürgern über die Bundestagswahl am 26. September hat sie noch nicht geführt. „Im Moment ist der Austausch relativ kurz. Unser Anliegen ist es, auf die Wahl hinzuweisen und dass die Bürger jetzt schon per Briefwahl ihre Stimme abgeben können“, erklärt die 40-Jährige. Die Hoffnung darauf, dass in den letzten Wochen bis zur Wahl doch noch vermehrt über Inhalte und nicht nur über die Kandidaten gesprochen wird, gibt sie aber nicht auf. „Ich glaube, dass die Gespräche noch intensiver werden. Gefühlt ist es eine sehr lange heiße Phase“, erklärt Voller.

Die Mutter von zwei Söhnen (elf und acht Jahre alt) kandidiert im Wahlkreis 110 (Krefeld, Kaarst, Korschenbroich, Jüchen, Meerbusch) für den Bundestag. Die Chancen auf ein Direktmandat sind gering, da Ansgar Heveling (CDU) bei den vergangenen drei Bundestagswahlen jeweils diesen Wahlkreis gewann. Daher muss Voller hoffen, über die Landesliste nach Berlin zu kommen. Dort steht sie auf Platz 39 – ob das reicht? „Es ist ein aussichtsreicher Platz, der aber von vielen Unwägbarkeiten abhängt“, so Voller.

Ihre berufliche Tätigkeit liegt auf Eis, damit sie sich voll auf den Wahlkampf konzentrieren kann. „Das ist der Luxus einer Freiberuflerin“, sagt sie. Für Menschen, die noch keine Berufspolitiker sind und einen festen Job haben, sei es schwierig, eine Kandidatur anzustreben, wenn man nicht gerade im Rentenalter ist: „Da ist das nicht machbar.“ Neben dem Wahlkampf sei die berufliche Zukunft nach einer Wahlperiode ungewiss. „Es wäre wünschenswert, wenn in den Parlamenten eine große Vielfalt abgebildet ist.“

Das Herzensthema der studierten Literaturwissenschaftlerin, die an der VHS Integrationskurse gibt und zuletzt als Aushilfslehrerin an einem Krefelder Gymnasium tätig war, ist die Integrationspolitik. Ganz oben auf ihrer Prioritätenliste steht die Wiedereinführung des Rechts auf Familiennachzug. „Ich erlebe es hautnah, was das für die Menschen heißt, wenn sie ihre Familien in Krisengebieten zurücklassen müssen“, so Voller. Zudem würde sie sich für ein modernes Einwanderungsgesetz stark machen. Und auch die Bildung sei ihr wichtig: „Sie muss vom Bund über das ganze Leben hinweg unterstützt werden“, erklärt sie.

Die grüne Idee von Familienpolitik unterscheidet sich sehr von der anderer Parteien. „Wir müssen die Alleinerziehenden stärker im Blick behalten, jedes Familienmodell muss besser unterstützt werden.“ Derzeit hinke die Familienpolitik hinter der gesellschaftlichen Realität zurück.

Voller ist erst Anfang des Jahres 2018 in die Kaarster Grünen eingetreten – dabei kommt sie aus einer SPD-Familie. „Ich bin sehr geprägt worden“, sagt Voller. Der letztendliche Anstoß, um in die Politik zu gehen, war 2017 der Einzug der AfD in den Bundestag. „Das war für mich der Tropfen in dem schon ziemlich vollen Fass.“ Die Partei, die ihrer Meinung nach am klarsten dagegen hielt, waren die Grünen. Bei der Kommunalwahl 2020 zog sie in den Stadtrat ein, nun will sie nach Berlin.

Ob sie mit ihrer Familie in die Hauptstadt ziehen würde? „Nein, ich würde pendeln“, sagt sie deutlich. Die Kinder seien in Kaarst gut integriert, die Stadt liege der Familie am Herzen. Und: „Man weiß nicht, wie in vier Jahren die Lage ist. Es ist von mir nur begrenzt beeinflussbar.“ Wie umziehen geht, weiß die Familie von Katharina Voller allerdings. Sie zog mit ihrem Mann erst nach Berlin, 2007 ging es nach Toronto und ein Jahr später nach New York City. 2009 zog Voller dann nach Peking und blieb dort vier Jahre.

In dieser Zeit kamen auch ihre Söhne zur Welt. Zudem habe ihr Aufenthalt in China gezeigt, was es heißt, in einer Demokratie leben zu dürfen. 2013 ging es zurück nach Deutschland. „Wir wissen, was es heißt, mit einer ganzen Familie umzuziehen. Das wollen wir den Kindern nicht noch einmal antun“, sagt Voller. Und: Sie will unbedingt die Verbindung in ihren Wahlkreis halten.