Wirtschaft Auf der Suche nach Fachkräften

Eine Kooperation zwischen Industrie- und Handelskammer sowie Arbeitsagenturen zeigt am Beispiel eines Möbelkaufhauses, wie sich Fachkräfte gewinnen lassen.

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„Das gemeinsame Kooperationsmodell von Industrie- und Handelskammer und den Arbeitsagenturen Krefeld und Mönchengladbach für die Fachkräfteberatung von Unternehmen hat Vorzeigecharakter“, bilanzierte gestern IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz nach fünf Jahren Zusammenarbeit. In dieser Zeit habe sich die Fachkräfteberatung stark verändert — genauso wie auch die Ausgangslage. Wie dramatisch sie ist, zeigen die Zahlen: Vor fünf Jahren klagten erst 17 Prozent der in der IHK organisierten Unternehmen am Mittleren Niederrhein über Fachkräftemangel. Vor einem Jahr waren es bereits 27 Prozent der Betriebe, heute sind es sogar 40 Prozent. „Wären damals alle unserem Rat gefolgt, hätten wir heute weniger Probleme“, sagt Steinmetz. Bundesweit fehlen 1,6 Millionen Fachkräfte. Jetzt bestehe die Gefahr, dass Aufträge nicht mehr abgearbeitet werden können oder ganz entfallen.

Die Bilanz der Kooperation falle positiv aus und solle deshalb auch fortgeführt werden. Seit dem Start habe in 2500 Fällen eine Fachkräfteberatung bei Unternehmen stattgefunden. „Vier gemeinsame Berater der Kooperationspartner sind speziell bei kleineren Betrieben ohne Personalabteilung unterwegs, um diese bei Ausbildung und Rekrutierung von Fachkräften zu unterstützen“, berichtet Birgitta Kubsch-von Harten, Geschäftsführerin operativ der Agentur für Arbeit in Krefeld. Ihre Agenturkollegin und Vorsitzende der Geschäftsführung aus Mönchengladbach, Angela Schoofs, bedauert, dass noch immer gerade viele kleinere Betriebe das individuelle Angebot von IHK und den Agenturen nicht kennen oder nicht annehmen.

Hier gehe Schaffrath mit gutem Beispiel voran. Der Einrichtungsspezialist gehört mit 1300 Mitarbeitern zu den größeren mittelständischen Betrieben am Niederrhein. Romina Göttschkes aus dem Personalbereich hat die Dienstleistung von Fachkräfteberaterin Petra Kern in Anspruch genommen und mit ihr ein Paket an Maßnahmen geschnürt. Ein erster Schritt war die Personalisierung der Ansprache von Nachwuchskräften auf der Firmenhomepage. Im Visier: Kandidaten für die Ausbildung zu Einzelhandelskaufleuten mit Schwerpunkt Möbel. Ausgebaut wurde ferner das von der IHK in mehreren Städten angebotene Azubi-Speed-Dating zwischen Firmenvertretern und Bewerbern. Außerdem wurden Langzeitpraktika für Flüchtlinge aufgelegt, um eine Einstiegsqualifizierung als Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice zu erwerben. Für junge Menschen mit „kreativen Schulabschlüssen“ — sprich ohne — wurde mit dem TÜV Nord und dem Institut IMBSE zur Förderung des beruflichen Wiedereinstiegs von Frauen eine überbetriebliche Ausbildung initiiert, ebenso wie Nachhilfestunden mit Hilfe der Agentur Nestor. Über die Jobbörse mobilejob.com können sich junge Leute per SMS oder online mit Lebenslauf und Antwort auf einfache Fragen zielgruppengerecht bewerben. Zusätzlich wurde speziell für Achtklässler eine Berufsfelderkundung für den Einzelhandel zum Thema Küchen initiiert.

Unter www.studienabbrecher.com gibt es einen Plan B, wenn es mit dem Studium nicht klappt. Darüber hinaus können Unentschlossene die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann auch verkürzen und sich danach überlegen, ob sie den Handelsfachwirt nebenberuflich anschließen. Da demnächst 60 Vertriebsleute bei Schaffrath in den Ruhestand gehen, nutzt das Unternehmen deren Erfahrung, um zwölf Quereinsteigern in Form von innerbetrieblicher Weiterbildung die Grundlagen in Verkaufs- und Warenkunde zu vermitteln.