Auf Spurensuche in Krefeld
Yuval Ketner aus Israel sucht nach jüdischen Vorfahren. Das Stadtarchiv vermittelt Kontakt.
Krefeld. „Sie haben mir meine Familie wiedergegeben“ — mit diesen Worten bedankte sich Yuval Ketner bei den Mitarbeitern des Stadtarchivs und der NS-Dokumentationsstelle. Burkhard Ostrowski, Mitarbeiter der NS-Dokumentationsstelle, und Archivleiter Olaf Richter hatten dem Gast aus Israel eine Fülle von Dokumenten und anderen Unterlagen über seine jüdischen Vorfahren vorgelegt.
Yuval Ketner hatte vor seiner Reise eigentlich erwartet, nicht allzu viel in Erfahrung bringen zu können. Dass die Vorfahren seiner Mutter aus Krefeld stammten, wusste er seit seiner frühesten Jugend. Sein Großvater Richard Bruckmann war 1892 in Krefeld geboren worden, als Sohn einer dort weit verzweigten jüdischen Familie, die zu einem großen Teil im Samt- und Seidenhandel tätig war. Aber erst jetzt hat er sich auf die konkrete Spurensuchen begeben.
Richard Bruckmann gründete mit seinen Schwestern Olga, Thekla und Elfriede das „Spezialhaus für Samt- und Seidenstoffe — Geschwister Bruckmann“, das später in der Seidenwarenhandlung von Albrecht und Ludwig Bruckmann, ebenfalls Geschwister von Richard Bruckmann, aufging. Das Geschäft am Südwall blieb älteren Krefeldern noch lange als „Seidenbruckmann“ in Erinnerung.
Bruckmann machte später noch eine eigene Seidenwarengroßhandlung auf, er verließ das Deutsche Reich aber schon 1931. Im Jahr 1935 ging er in das damalige Palästina, heiratete dort und bekam mit seiner Frau Ester Prober drei Kinder, darunter die Mutter von Yuval Ketner. Richard Bruckmann starb 1973 in Israel.
Mit 54 Jahren fasste er den Entschluss, eine Auszeit zu nehmen und sich um die Erforschung seiner Vorfahren in Krefeld zu bemühen. Die wenigen Kenntnisse über die Familie Bruckmann und Krefeld hatten er und seine beiden Geschwister von ihrer Mutter Ruth erfahren.
Außerdem hatte die Familie einige Erinnerungsstücke. So ein koloriertes Foto von Ketners Urgroßvater Salomon Bruckmann und seiner Ehefrau Maria, Teile eines silbernen Tafelbestecks, alte Fotos und Schmucksachen.
Yuval Ketner recherchierte im Internet und stieß dabei auf ein Foto des Grabsteins seines Urgroßvaters Salomon Bruckmann auf dem Krefelder Jüdischen Friedhof. Das Foto war von einem Jonathan Bruckmann aus Kanada eingestellt worden.
Yuval Ketner nahm mit ihm Kontakt auf. Jonathan Bruckmann, ebenfalls ein Nachfahre Salomon Bruckmanns, war 2005 mit seiner Frau in Krefeld gewesen und konnte Ketner berichten, dass sich dort Forscher um die Geschichte der Familie Bruckmann bemüht hatten.
Die erhaltenen Hinweise nutzte Yuval Ketner, um in Krefeld die Orte wie den Südwall, den Nordbezirk und Burg Linn aufzusuchen, an denen seine Vorfahren gelebt und gearbeitet hatten. Bei einem Besuch im NS-Dokumentationszentrum in der Villa Merländer zeigte er sich tief beeindruckt angesichts der sechzehn Mitglieder der Familie Bruckmann, an die als Opfer der Judenverfolgung auf den dort hängenden Gedenktüchern erinnert wird.
Yuval Ketner wurde 1960 in Haifa geboren. Seit 20 Jahren lebt er mit seiner Frau Nirit und den drei Kindern Daniel, Ayala und Shalev im 1976 gegründeten Kibbutz Samar (Südisrael), wo die Familie in der Landwirtschaft tätig ist. Dort werden Milch und Milchprodukte produziert, aber auch biologisch angebautes Obst und Gemüse, das zum größten Teil nach Europa und insbesondere nach Deutschland exportiert wird. Außerdem arbeitet Yuval Ketner als Künstler.
Er wuchs jedoch in einem Viertel auf, in dem hauptsächlich Überlebende des Judenmords wohnten. Seine Einstellung gegenüber Deutschland war zunächst sehr negativ.
Ein Umschwung setzte ein, als einige seiner Kunstwerke vor vier Jahren in Berlin in einer Ausstellung gezeigt wurden. Bei einem Besuch in Berlin gewann er die Überzeugung, dass sich die Einstellung der Deutschen zutiefst gewandelt hätte und es Vorgänge, wie es sie zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland gegeben hatte, nicht mehr vorkommen könnten.
In der Folge beantragte er sogar die deutsche Staatsangehörigkeit. „Dass ich neben meiner israelischen nun die deutsche Staatsbürgerschaft besitze, das ist mein persönlicher Sieg über Hitler“, so Ketner. Red