Autor David Grossmann erzählt aus seinem Leben
Der bedeutendste israelische Schriftsteller und Regisseurin Dedi Baron sind zu Gast in der Mediothek gewesen.
„David Grossman ist einer der, wenn nicht der bedeutendste Autor Israels“, so stellt Schauspieldirektor Matthias Gehrt am Freitagabend seinen Gast vor. Die Freunde des Theaters Krefeld und die Mediothek haben zu einer Gesprächsrunde ins Atrium geladen. Die israelische Regisseurin Dedi Baron, die gerade für das Theater Krefeld Mönchengladbach Grossmans Buch „Aus der Zeit fallen“ auf die Bühne gebracht hat, führt das Gespräch mit ihrem Landsmann.
Der Autor schildert, dass er mit diesem Buch versucht habe, fünf Jahre nach dem Tod seines Sohnes im Libanonkrieg „einen Kanal zwischen ihm und dem Sohn zu öffnen, mit ihm in Kontakt zu bleiben.“ Durch die einfühlsame Inszenierung von Dedi fühlte er sich immer wieder an seine Emotionen erinnert und empfand es als positives Erlebnis: „Ich habe das Buch nach dem Schreiben nie wieder gelesen.“
Baron entlockt ihm in dem Gespräch, das in freundschaftlich vertrauter Atmosphäre stattfindet, wie er als Schriftsteller arbeitet, welche Themen ihn reizen. „Ich will nicht nur über Trauriges reden und schreiben“, sagt Grossman. Er wechselt häufig zwischen Büchern für Erwachsene und dann wieder für Kinder — und sieht damit durchaus auch die Großen als Zielgruppe.
In seinem Buch (in deutscher Übersetzung: Die Umarmung) schildert er ein Gespräch mit einem Vierjährigen und ist fasziniert davon, wie sehr sich die Weltsicht von Kindern von derjenigen der Erwachsenen unterscheidet. „Da steht man wie nackt vor der Realität“, lautet sein Fazit.
Beim Verfassen von Romanen hat er ein überraschendes Prinzip: „Ich möchte schreiben, was ich nicht weiß, sonst wäre es langweilig für mich!“ Wenn er einen Roman schreibt, will er am Anfang nicht schon seinen Ausgang wissen, „sonst wäre es nur noch Technik, Handwerk, zu dem Ende zu kommen.“
Sein Land Israel ist ein großes Thema in seinem Werk; als Friedensaktivist hat er beide Seiten im Fokus. Er erzählt von seinen Recherchen in einem palästinensischen Flüchtlingslager. Er wollte dort von den Menschen ihre Lebensgeschichten kennenlernen, von ihrer Vertreibung hören. Daraus wurde das ins Deutsche übersetzte Buch „Der geteilte Israeli. Über den Zwang, den Nachbarn nicht zu verstehen“ (erschienen 1992). Die aktuelle Lage in seinem Heimatland bzw. der gesamten Region sieht er pessimistisch, beklagt Fundamentalismus und Fanatismus im Verhalten der Regierungen auf beiden Seiten. In einer Zwei-Staaten-Lösung sieht er die einzige Chance, Frieden und Freiheit zu schaffen. „Auch die Palästinenser müssen Gelegenheit bekommen, ihre Kreativität anders als in Anschlägen auszuleben.“