Meinung Baustelle Kommunalpolitik

Die ausklingende Woche ist ein Paradebeispiel dafür, warum sich immer weniger Menschen für Kommunalpolitik interessieren. Aber auch dafür, dass dies ein Fehler ist.

Ein Kommentar von Michael Passon.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Krefeld. Wer weiß, wie viel Arbeit und Verzicht im Ehrenamt Kommunalpolitik steckt, der weiß auch, warum Stadträte zunehmend überaltern. Familien und Arbeitgeber müssen eine Menge Toleranz und Verständnis aufbringen, viele können das nicht. Aus nachvollziehbaren Gründen.

Kurz: Kommunalpolitik ist ein großer Dienst an der Gesellschaft. Aber: Sie erfordert eine klare Haltung, darf sich nicht um sich selbst drehen, muss glaubwürdig sein und Lösungen aufzeigen. Die ausklingende Woche ist ein Paradebeispiel dafür, warum sich immer weniger Menschen für Kommunalpolitik interessieren. Aber auch dafür, dass dies ein Fehler ist.

Die Sozialdemokraten, sonst so besonnen geführt von Ralph-Harry Klaer und Benedikt Winzen, stecken in der Klemme. Am Dienstag fordert die SPD in einem gemeinsamen Appell mit den anderen Fraktionen die Freilassung politisch Inhaftierter in der Türkei. Ihre Krefelder DiTib-Spitzenfunktionärin und Ratsfrau Halide Özkurt aber lässt sie seit Monaten rumeiern und schönreden, wenn es um die Türkei und den staatlichen Religionsarm geht. Das hat nichts mit demokratischer Toleranz zu tun. Die klare Haltung fehlt. Manchmal auch das Fingerspitzengefühl. Ausgerechnet der erfahrenen und hochengagierten SPD-Bezirksvorsteherin Gerda Schnell ist es schon wieder passiert.

Erst kürzlich sprach sie Bürgern in „ihrem“ Saal die gute Kinderstube ab, weil sie zwar energisch, aber sachorientiert gegen die Schließung des Westwalls protestierten. Am Mittwoch kündigte sie an, die Presse künftig nicht mehr einladen zu wollen, sollte sie bestimmte Fakten nennen. Wer die wenigen interessierten Gäste vergraulen möchte, macht das am besten genau so. Politik darf sich nicht um sich selbst drehen.

Dann wird seit Montag das wichtigste Industrie-Wahrzeichen Krefelds zurückgebaut. Das tonnenschwere Bayer-Kreuz bröckelt Stück für Stück und mit ihm ganz viel Geschichte. Ein emotionales Thema, zu dem es unterschiedliche Meinungen geben kann. Wir von der WZ glauben, dass der Rückbau ein Schritt in die Zukunft ist.

Die neuen Arbeitgeber vor Ort haben ein Recht auf eine eigene Identität. Zudem dürfte sich der Bayer-Konzern zuletzt nicht gefreut haben, als die Fernsehbilder beim Huntsman-Unfall ständig das berühmte Firmenlogo zeigten. Die Meinung von FDP-Chef Heitmann ist eine andere. Sein gutes Recht. Seine neuerliche Forderung, das Kreuz zum Industriedenkmal zu erklären, ist aber purer Populismus. Damit ist er bereits 2015 gescheitert, glaubwürdige Politik geht anders.

Trotz alledem ist es falsch, sich von Kommunalpolitik abzuwenden, auch das hat diese Woche gezeigt. Nach zähem Ringen gibt es eine Lösung für den Karlsplatz. Das Ergebnis gefällt nicht jedem, der sich eingebracht hatte, aber es wird in einer gesellschaftlichen Breite getragen, die ohne Einmischung der Bürger nicht möglich gewesen wäre. Hier hat die CDU mit dem Moderationsverfahren eine wertvolle Rolle gespielt. Es gibt also Werte, die Bürger von ehrenamtlichen Politikern verlangen dürfen. Und es gibt die nicht minder wichtige Verantwortung, die jeder Einzelne selbst trägt.