Blitzmarathon: Polizei spielt mit offenen Karten (mit Video)
Kaum ein Autofahrer tritt noch kräftig aufs Gas, wenn in Krefeld für 24 Stunden die Radarwagen ausschwärmen. Ein Erfolg aus Sicht der Polizei.
Krefeld. Der Fahrer eines VW-Golf hat keine Zeit. Erst recht nicht, um von der Polizei aus dem Verkehr gezogen zu werden. Beinahe fährt er dem Beamten in gelber Warnweste, der ihn rauswinken möchte, über den Fuß. Der Radarwagen hat 52 Stundenkilometer gemessen, erlaubt sind auf der Straße Am Badezentrum auf diesem Teilstück nur 30.
„Ja, ich weiß“, kürzt der Mann die Belehrung des Polizisten ab. Erst gleitet sein Führerschein aus dem Portemonnaie, dann die EC-Karte ins Lesegerät der Polizei. Danach verweigert er jeden Kommentar: „Hömma, keine Zeit.“
Die meisten Autofahrer, die der Polizei beim Blitzmarathon am Dienstag in die Radarfalle gegangen sind, ließen die Beamten wenigstens noch wissen, warum denn Eile geboten war. „Schnell zum Arzt.“ „Dringend auf Toilette.“ Manche geben auch zu, dass sie das 30-Schild übersehen haben. Die meisten lächeln.
Autofahrer seien einsichtiger geworden, so nehmen es die Polizisten an den Kontrollstellen wahr. Der Beamte Hans Steinbusch (51) berichtet gar von einem Autofahrer, der morgens gesagt hat: „Jetzt müssten Sie mir eine Ohrfeige geben.“ Vom Blitzmarathon habe er doch gerade noch im Radio gehört.
Volker Stahl, Leiter des Verkehrsschutz I, ist nach eigener Aussage froh, dass der Blitzmarathon bei seinem sechsten Durchlauf für viele Fahrer ein alter Hut ist. „Wir wollen das Geschwindigkeitsniveau insgesamt senken und nicht die Autofahrer an einer ganz bestimmten Stelle erwischen“, sagt er. Das scheint zu gelingen. Waren 2004 noch 8,35 Prozent der Krefelder zu schnell unterwegs, wenn sie in eine Polizeikontrolle gerieten, so hat sich der Wert im Jahr 2013 auf 4,53 Prozent reduziert.
Auch Am Badezentrum sind es hauptsächlich die Polizisten, die kalt erwischt werden. Und zwar von kurzen, heftigen Regenschauern. Nach rund 50 Minuten sind 14 Verkehrssünder ins Netz gegangen — bei 631 gemessenen Fahrzeugen.
An einem normalen Tag zeigt sich die Straße auch mal von einer anderen Seite. Das weiß Anwohnerin Janine Loh, die beim WZ-Voting im Internet dafür gestimmt hat, dass der Radarwagen in ihrer Nachbarschaft hält. „Hier fahren viele gerne 50 und nachts noch schneller“, sagt die 33-Jährige. Dabei komme es, gerade wenn viele Kinder aus der Straßenbahn steigen, oft zu lebensgefährlichen Situationen.
Nicht während des Marathons. Die Kontrollstellen in Krefeld, die bis zu neun Teams von Stadt und Polizei anfuhren, waren alle bekannt. Dass mit offenen Karten gespielt wird, findet Stahl richtig. Es gehe um öffentliche Akzeptanz. „Wir haben keinen Grund, uns zu verstecken.“