Bombennacht 1943: Tote lagen mit Laken bedeckt auf dem Boden
Nach dem Angriff brannten viele Häuser. Die Menschen versuchten, ihre Habseligkeiten vor den Flammen zu retten.
Krefeld. Vor 70 Jahren war ich zehn Jahre alt und wohnte damals in Krefeld-Lindental, mit Vater, Mutter und zwei Schwestern. Die schreckliche Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1943 werde ich nie vergessen.
In dieser Nacht saßen wir wie so oft im Keller, weil Fliegeralarm war. Plötzlich hörten wir ein riesiges Geschwader von Flugzeugen über uns. Wir klammerten uns aneinander. Mutter begann zu beten. Vater sah vom Kellerfenster aus Christbäume am Himmel stehen und man hörte die Flak, die ganz bei uns in der Nähe war, mit Getöse. Wir hatten panische Angst. Immer wenn wir dachten, es ist vorbei, hörten wir wieder neue Flugzeugmotoren. Das alles hat etwa 30 Minuten gedauert.
Als es ruhig war und die Sirenen den langen „Schlusston“ gaben, gingen wir alle nach oben in unser Kinderzimmer, weil wir vom Fenster aus auf die Stadt sehen konnten. Die ganze Stadt brannte. Der ganze Himmel war feuerrot.
Gegen Morgen gingen wir los. Auf der Marktstraße brannten oder qualmten noch viele Häuser oder waren eingestürzt. Dann ging es weiter zur jetzigen Lewerentzstraße, wo mein Opa wohnte, der Vater meiner Mutter. Das Haus lag in Trümmern. Meine Mutter weinte. Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, ob Opa noch lebte. Einen Tag später ist er schwer verletzt aus den Trümmern geborgen worden und ist später bei uns gestorben.
Aber unser Weg ging noch weiter. Wir mussten zur Philadelphiastraße, früher Kronprinzenstraße 113, zu meiner Tante, der Schwester meines Vaters und den Kindern. Wir kamen am Schinkenplatz vorbei. Wir brachen alle in Tränen aus. Viele Tote lagen mit einem weißen Laken bedeckt auf dem Platz. Die Füße schauten raus. Daran sah man, ob es ein Kind, ein Mann oder eine Frau war.
Die Philadelphiastraße war rechts und links zerstört. Auch das Haus von meiner Tante. Auf einem Sockel stand: „Wir leben!“ Meine Tante hat mir später erzählt, wie sie mit ihren Kindern über die Straße lief, die noch heiß vom Phosphor war, während ein Feuerwehrmann hinter ihnen her gerannt kam, weil immer wieder ihre Kleidung brannte. Weiter gingen wir über die Uerdinger Straße zu meiner Tante, die auf der Hohenzollernstraße wohnte.
Viele Häuser waren zerstört. Auf der Cracauer Straße wurden an einem Haus Essen und Getränke ausgegeben, für alle, die vorbei kamen. Auf dem Mittelstreifen hockten Menschen mit ihren geretteten Habseligkeiten, aber auch Pferde und Kleintiere. Das Haus meiner Tante war schwer beschädigt und wir wussten nicht, ob sie noch lebte.
Jetzt mussten wir durch die schrecklich zerstörte Stadt wieder zurück. Die Uerdinger Straße und die Rheinstraße — alles war zerstört. Die schöne Innenstadt von Krefeld war nur noch ein Trümmerfeld.