Colonia Dignidad: Am Samstag soll eine Demo vor H. neuer Wohnung stattfinden
Jetzt gibt es auch eine Strafanzeige gegen H. in Krefeld. Der mit internationalem Haftbefehl gesuchte Sektenarzt denkt über einen Einspruch gegen seine Wohnungskündigung durch die Krefelder Wohnstätte nach. Am Samstag soll es eine Demo vor der neuen Wohnung des Ehepaares H. geben.
Krefeld. Eine deutsche Menschenrechtsorganisation hat jetzt bei der Staatsanwaltschaft in Krefeld Strafantrag gegen H. erstattet. Vorwurf: Mord und Kindesmissbrauch.
Tatort: „Colonia Dignidad“ im Süden Chiles. Tatzeit: unbekannt. Den Eingang der Anzeige hat gestern Oberstaatsanwalt Klaus Schreiber der WZ auf Anfrage bestätigt.
Doch die Lage ändert sich dadurch vorerst nicht: Entscheidend ist, welches „Futter“ die chilenische Justiz den deutschen Behörden liefert. Bis gestern war noch nichts eingetroffen.
Oberstaatsanwalt Schreiber kennt die Materie um die mit der einstigen Junta in Chile verbandelte deutsche Kolonie recht gut. Anfang 2008 musste er zähneknirschend das Verfahren gegen seinen Namensvetter Schreiber (Albert) wegen Waffenhandels einstellen — es war nach deutschem Recht verjährt.
Auf dem Gelände der Siedlung, in der der approbierte Mediziner H. nach Informationen aus Chile unter dem Decknamen „Javier“ mit Drogen an Häftlingen experimentiert haben soll, waren Kriegswaffen gefunden worden. Albert Schreiber war ebenfalls nach Krefeld geflüchtet. Mittlerweile ist er gestorben.
Der Oberstaatsanwalt weiß, dass in der „Colonia“ viel Geld verdient wurde: „Die haben keine Steuern gezahlt, aber neben ihrer Landwirtschaft auch für den Geheimdienst gearbeitet.“ Dass möglicherweise auf der Karibikinsel St. Kitts Millionen gebunkert sein könnten, hat er ebenfalls gehört. „Wir hatten auch Hinweise zu Nummernkonten in der Schweiz“.
Klaus Schreiber weiß, dass H. keinesfalls wegen seines Adoptivsohnes Michael (Geigenlehrer an einer Krefelder Musikschule) nach Krefeld gekommen ist: „In der Familie gibt es Knatsch.“
Vor allem die Schwiegertochter scheint nicht gut auf H. zu sprechen zu sein: Sie informierte die chilenische Justiz über die Flucht H.s an den Niederrhein. Der Oberstaatsanwalt: „H. tritt sehr selbstbewusst auf. Der weiß genau, was ihm hier nicht blüht“.
Genau darüber wundert man sich in Chile sehr. Winfried Hempel, ein deutschstämmiger Rechtsanwalt aus Santiago, der Dignidad-Opfer vertritt und die einstigen Verstrickungen von deutscher Botschaft und Bundesnachrichtendienst mit der deutschen Sekte und dem chilenischen Geheimdienst aufdröselt, schrieb am Donnerstag der WZ: „Dass er (H.) dort (noch in Willich) auf Staatskosten lebt, ist mehr als bodenlos“.
„Besorgte Linner Eltern“ haben zu einer Demonstration am Samstag um 14 Uhr vor der neuen Wohnung des Ehepaares H. am Weidenbruchweg aufgerufen. Bei der Polizei angemeldet ist die Demo aber nicht.
Mittlerweile gibt es im sozialen Netzwerk Facebook auch eine Gruppe mit dem Namen "Herr H., Sie sind in Krefeld unerwünscht", deren Mitgleiderzahl stetig steigt. Auch die Leserkommentare sprechen eine deutliche Sprache: "Dürfen wir zulassen, dass Krefeld zum Exil für Helfer einer brutalen Militärdiktatur wird?"